Seit Beginn meines dualen Studiums im August 2020 war für mich klar: Ich möchte unbedingt einen Auslandseinsatz machen. Ich habe mich bewusst gegen ein Uni-Semester im Ausland entschieden, weil ich die Chance nutzen wollte, aktiver am Leben und in der Arbeit in einem anderen Land teilzunehmen.
Vom Ausbildungsaufbau war der potenzielle Auslandseinsatz nach dem dritten Semester angesetzt. Die pandemische Lage erlaubte eine langfristige Planung zu dieser Zeit aber noch nicht. Ich war deshalb umso glücklicher, dann doch nach meinem vierten Semester von Oktober bis Dezember bei OTTO B.V. in Tilburg arbeiten zu dürfen.
OTTO B-was?... OTTO B.V. ist die niederländliche „Version“ von OTTO.de – schaut mal rein: otto.nl. Hier wird eine Auswahl des deutschen Händlersortiments angeboten und der Shop wird von ca. 70 Kolleg*innen gemanagt. Der Kontrast zu OTTO in Deutschland ist immer spürbar, auch wenn OTTO B.V. ein Spiegelbild ist. Es ist einfach anders, in einer kleinen Firma statt in einem Großkonzern zu arbeiten. Mit allen Vor- und Nachteilen, die beide Varianten mitbringen.
Das gemütliche Büro von OTTO B.V. steht im Südwesten der kleinen Studentenstadt. Neben der Empfangsetage werden die oberen beiden Etagen des Gebäudes von OTTO genutzt. Meine Abteilung (Category- und Shopmanagement) saß zusammen auf einer Fläche mit dem Shop Development, dem Performance Marketing, dem Design und der BI (Business Itelligence) – im Vergleich zu OTTO Deutschland schon irgendwie bizarr, weil alles so viel kleiner ist. Damit einhergehen kurze Kommunikationswege. Eine Aussage blieb mir in Erinnerung: „Wenn du siehst, dass [das oder das] in den Daten auffällig, dann sag [dem oder dem] einfach Bescheid, dann wird die neue Kampagne nicht ausgespielt“ – Das ist schon ein sehr angenehmes arbeiten!
Mein Arbeitsalltag bestand im Category- und Shopmanagement häufig aus der Analyse verschiedener Daten. So wurde ich nicht nur vertraut mit unseren Sales-, Online- und Logistikdaten, sondern habe mir ebenfalls viele neue Skills in Excel angeeignet. Was langweilig klingt, war erstaunlich interessant und vor allem herausfordernd. Meine Analysen basierten meistens auf wichtigen Fragen, die es zu klären galt. Dadurch war die Relevanz der Ergebnisse hoch, was die Aufgaben umso attraktiver gemacht habt.
Neben den Analysen habe ich auch bei der Kampagnenplanung mitgearbeitet, Benchmarks erstellt, bei Black Friday unterstützt und in Dashboards gearbeitet. Dadurch, dass allein in meinem Team die Aufgaben diverser OTTO-Deutschland-Bereiche vereint sind, war meine Arbeit sehr vielschichtig und abwechslungsreich.
Die Arbeitskultur war sehr ähnlich zu der in Deutschland: eine lockere und gemeinschaftliche Umgangsform, flache Hierarchien und ein gutes Teamgefühl. Durch die übersichtliche Belegschaft gingen viele gemeinsam in der 30-minütigen Mittagspause spazieren. Ein kleinerer Teil ging in den Pausenraum und aß Mittag - typisch niederländisch nicht warm, sondern ein belegtes Brot. Besonders an kälteren Tagen habe ich den Billardtisch im Pausenraum für mich entdeckt. Es gab aber auch Tischtennis und Tischkicker. „Pausenraum“ ist dabei eigentlich die falsche Bezeichnung – hier gibt es auch eine große Küche und der Raum wird nebenbei noch als Eventfläche benutzt.
OTTO B.V. zeichnet sich vor allem durch die familiäre Atmosphäre aus. Zu Geburtstagen, Verabschiedungen, Verlobungen oder sonstigen Events wurden überall liebevoll designte Collagen aufgehängt. Zu Black Friday wurde dekoriert und von Mitte November bis zum 05.12. hatten alle Kolleg*innen einen Schuh im Foyer stehen, der zweimal die Woche mit Süßigkeiten und kleinen Überraschungen gefüllt wurden (Sinterklaas Brauch, dazu später mehr 😉)
Neben der Arbeit interessiert euch sicher auch meine Freizeitgestaltung. Da ich mit einem Azubikollegen gemeinsam im Einsatz war (er war im Shop Development), wurde es nie langweilig. Die Wohnsituation in den Niederlanden ist sehr angespannt, weshalb es für uns am Ende ein AirBnB-Bungalow in einem Ferienpark an der belgischen Grenze geworden ist – 25 Minuten Autofahrt zum Office, aber über entspannte Landstraßen. Wir haben eine zweimonatige Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio im Nachbarort abgeschlossen und waren dadurch unter der Woche mit Arbeit, Gym, Kochen und Einkaufen mehr als gut beschäftigt.
Highlight-Tage wurden daher immer die Wochenenden, denn aufgrund der Größe der Niederlande ist das Land mehr als prädestiniert für Tages- und Wochenendausflüge. Mit der Bahn oder dem Auto sind viele bekannte Städte in unter zwei Stunden zu erreichen: Rotterdam, Den Haag, Amsterdam, Brüssel, Antwerpen, Eindhoven und viele weitere kleine, wunderschöne Städtchen. Das hat meinen Einsatz einzigartig gemacht und es kam fast ein Gefühl von „work and travel“ auf.
Zwei beziehungsweise drei absolute Highlights, von denen ich noch berichten muss:
Sinterklaas und das gemeinsame Weihnachtsessen.
Sinterklaas ist ein niederländischer Brauch, der vor allem mit Kindern zelebriert wird. Sinterklaas ist eine Weihnachtsmann / Nikolaus ähnliche Figur, die am 05.12. Geschenke bringt. Mitte November kommt er aus seiner Sommerresidenz in Spanien im Land an. Dann wird groß aufgefahren: Es beginnt auf einem Samstag, wo Sinterklaas in einer Stadt im Norden per Schiff und Liveübertragung im Fernsehen ankommt. Am nächsten Tag kommt Sinterklaas (bzw. seine Helfer, die aussehen wie er) in den einzelnen Städten in großer Zeremonie und mit den Piets (äquivalent zu unseren Elfen) an. Ein einmaliges Ereignis, was jeder einmal gesehen haben sollte.
Am 05.12. war dann Sinterklaas. Obwohl die meisten der OTTO B.V. Kolleg*innen keine Kinder sind, haben wir den Tag gemeinsam gefeiert. Einige Wochen vorher haben alle Kolleg*innen einen Namen fürs Wichteln gezogen und bis zum 05.12. ein kleines Geschenk mitgebracht. In der Mittagspause gab es dann ein großartiges Buffet. Es wurde gemeinsam gegessen und gelacht. Anschließend gingen alle runter, um die Wichtelgeschenke zu suchen, die in der Zwischenzeit im ganzen Büro versteckt wurden. Nach einem gemeinsamen Auspacken war das Spektakel dann vorbei – ein absolutes Highlight.
Nach dem Highlight ist bekannter Maßen vor dem Highlight: An meinem vorletzten Arbeitstag gab es nämlich ein großes Weihnachtsdinner am Abend. Unter festlichem Dresscode haben wir uns alle in einem wunderschönen Restaurant getroffen und ein herrliches Menü genossen. Zwischen den Gängen haben alle systematisch viermal die Tische gewechselt, um mit möglichst vielen Kolleg*innen ins Gespräch kommen zu können. Vor dem Nachtisch wurden dann alle nach draußen gebeten und ein weihnachtliches Gesangsquartett hat Weihnachtssongs zum Besten gegeben. Dazu gab es Glühwein, bevor es wieder rein in die Wärme ging.
Ein gelungener Abschluss dieses aufregenden und abwechslungsreichen Auslandseinsatzes!