Würde man einem Fotografen aus dem vorigen Jahrhundert ein Lensbaby-Objektiv in die Hand drücken, er würde es vermutlich reklamieren. Denn es schießt Bilder mit einem optischen Fehler. Der ist allerdings gewollt und sorgt für einen sogenannten Tilt-Shift-Effekt. UPDATED zeigt dir, wie du deine Kamera richtig für das Lensbaby einstellst, das Objektiv optimal nutzt und den “Sweet Spot” deiner Bilder findest.
Das Lensbaby-Objektiv wird über einen Bajonettverschluss mit der Kamera verbunden. Da jeder Kamerahersteller diesen Verschluss unterschiedlich gestaltet, solltest du beim Kauf darauf achten, dass das Objektiv auf deine Kamera passt. Dazu brauchst du nicht zwingend ein Objektiv von derselben Firma zu kaufen, von der deine Kamera stammt. Achte einfach darauf, dass beides zusammenpasst.
Außerdem gibt es Adapter für Lensbaby-Objektive. Sie verbinden Objektiv und Kamera miteinander, auch wenn sie nicht kompatibel sind. Solche Adapter können allerdings die Funktionalität des Objektivs einschränken. Außerdem sind sie preislich kaum günstiger als das Objektiv an sich. Der Kauf will also gut überlegt sein.
Genau genommen war das Lensbaby-Objektiv einst das Flaggschiff der gleichnamigen Firma. Mittlerweile stellt das Unternehmen auch eine Vielzahl anderer Objektive her. Und Lensbabys gibt es inzwischen von verschiedenen Kameramarken.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, arbeiten Lensbaby-Objektive sehr präzise – und bauen ganz bewusst einen optischen Fehler in die Bilder ein: den sogenannten Tilt Shift. Dadurch ist ein Teil des Bildes stark verschwommen, etwa so, als hättest du während der Aufnahme gezoomt oder die Kamera bewegt. Es handelt sich also nicht um die normale Unschärfe, die durch eine offene Blende oder eine hohe Brennweite erzeugt wird.
Ein kleiner Teil des Bildes, der Fokuspunkt, bleibt hingegen scharf. Der dadurch entstehende Effekt führt dazu, dass der Blick des Betrachters automatisch auf diesen Fokuspunkt gelenkt wird.
Das klassische Lensbaby-Objektiv verfügt neben den üblichen Komponenten eines Objektivs über ein Kugelgelenk oder einen Fächer. Damit kannst du die Objektivachse in alle Richtungen neigen und so den Tilt-Effekt erzeugen. Außerdem gibt es einen Fokusring, der zur manuellen Fokussierung dient. Die Blende kommt meist in Form einer magnetischen Scheibe daher, die du je nach gewünschter Schärfentiefe von Hand auswechseln kannst.
Mittlerweile gibt es auf dem Markt verschiedene Abwandlungen dieser klassischen Bauweise. Einige Lensbabys drehen den Hintergrund und rufen so verrückte Verwirbelungen im Bild hervor. Andere sorgen einfach für extreme Unschärfen. Der Kreativität sind kaum noch Grenzen gesetzt. Das Praktische: Verschiedene Lensbabys kreieren zwar unterschiedliche Effekte – die Handhabung ist jedoch immer gleich.
Wie viel Unschärfe darf es sein? Mit einem Lensbaby kannst du alle möglichen Effekte erreichen: Unschärfe nur links im Bild oder nur rechts, Vordergrund unscharf oder Hintergrund unscharf … Damit am Ende das herauskommt, was du dir vorstellst, kommen hier unsere Tipps für die richtigen Einstellungen:
Den Autofokus suchst du bei einem Lensbaby vergeblich. Stattdessen fokussierst du manuell über den Ring am Objektiv. Das ist am Anfang gar nicht so leicht, klappt mit etwas Übung aber ganz gut und gibt dir vor allem jede Menge Spielraum, die Einstellungen genau so zu wählen, wie du sie haben willst.
Die Kugel bzw. den Fächer lockerst du zunächst und drehst das Gelenk in eine beliebige Richtung. Schau dabei durch den Sucher deiner Kamera, da das Drehen bestimmt, welcher Bereich in deinem Bild verwischt und unscharf ist. Kippe die Kugel zum Beispiel leicht nach oben. So ist der gesamte untere Bereich deines Bildes verwischt und der Blick wird auf einen Bereich in der Mitte deines Bildes gelenkt (den “Sweet Spot”). Stelle das Kugelgelenk wieder fest, bevor du das Foto machst.
Hast du bisher immer an einem Rädchen oder im Menü deiner Kamera alle Blendeneinstellungen vorgenommen, wird es jetzt etwas “manueller”. Die Blende wird über ein kleines Plättchen eingestellt, das sich innerhalb des Objektivs befindet. Per Magnet lässt sich das Plättchen von vorn aus dem Objektiv holen und auswechseln.
Für dich bedeutet das: Du überlegst dir als Erstes, welche Blende du für deine Bilder verwenden möchtest. Nimm eine offene Blende für viel Unschärfe im Hintergrund oder eine geschlossene Blende für gleichmäßige Schärfe. Das betrifft lediglich die “normale” Unschärfe im Bild, wie du sie von deinen üblichen Objektiven kennst. Das Lensbaby sorgt noch für weitere Unschärfen.
Auf den Blenden-Plättchen ist die Blendenzahl eingraviert. Hier gilt: je kleiner die Zahl, umso offener die Blende. Ob deine Blende eher offen oder geschlossen ist, kannst du auch an der Größe der Öffnung in der Mitte des Plättchens sehen: Je größer diese ist, umso offener ist die Blende.
Starte am besten mit einer Blende von f/5,6. So bekommst du nicht zu viel Unschärfe aufs Foto und hast Platz für den eigentlichen Lensbaby-Effekt.
Jetzt begeben wir uns wieder auf bekanntes Terrain. Denn diese Einstellungen kannst du wie gewohnt an deiner Kamera vornehmen. Für den Anfang kannst du die ISO-Einstellungen der Kameraautomatik überlassen, dann brauchst du dich darum nicht zu kümmern. Alternativ passt du den ISO-Wert an die herrschenden Lichtverhältnisse an: 100 an sonnigen, 400 an bewölkten Tagen etc. Die Belichtungszeit wählst du ebenfalls passend zum Licht.
Überlege dir, was im Fokus deiner Bilder stehen soll. Die Unschärfe hilft dir, den Blick auf das Wesentliche zu lenken. Alles Unwichtige lässt du im stark verwischten Teil deines Bildes verschwinden.
Befindet sich dein Motiv in der Mitte des Bildes, brauchst du den Shift kaum zu nutzen. Hier reicht es, das Objektiv minimal nach oben oder unten zu kippen. Befindet sich dein Motiv seitlich auf deinem Bild, kippst du das Objektiv zu dieser Seite und erzeugst so einen Shift, der die komplette andere Seite des Bildes verwischt.
Außerdem kannst du den Shift dazu nutzen, deinen Bildern eine gewisse Dynamik zu verleihen. Besonders gut klappt das bei bewegten Objekten wie einem Longboard-Fahrer oder einem fahrenden Auto. Lege den Fokus jeweils auf das bewegte Motiv. Doch auch statische Objekte, etwa ein Baum, erhalten durch die gezielte Unschärfe eine gewisse Dynamik. Das kann sogar so weit gehen, dass dem Betrachter des Bildes etwas schwindlig wird – zum Beispiel, wenn du den Boden mit viel Unschärfe fotografierst.
Das Lensbaby ist ein Spiel-Objektiv. Deshalb gilt vor allem: Lass deiner Kreativität freien Lauf. Alles ist erlaubt. Wir haben einige Ideen für dich zusammengestellt:
Mal eben das Lensbaby aufgeschraubt und atemberaubende Bilder gemacht? Kann passieren, würde dann aber eher in die Kategorie “Anfängerglück” fallen. Denn auch wenn das Objektiv zur Spaßausrüstung für Fotografen gehört, verlangt es doch einiges an Können – und vor allem jede Menge Übung. Das manuelle Fokussieren will gelernt sein und den richtigen Shift für die Unschärfe hinzubekommen, sieht auch einfacher aus, als es ist. Doch selbst wenn die ersten Schnappschüsse noch nicht Instagram-reif sind, macht das Herumexperimentieren jede Menge Spaß. Und nach einigem Probieren entstehen ganz verblüffende Fotos – und das ohne dabei in die Trickkiste der Nachbearbeitung greifen zu müssen.
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