Spielekonsolen

Retro-Kon­so­len: Ein kur­zer Überblick

Hach ja, die gute alte Zeit, als das NES noch an den Röhrenfernseher angeschlossen wurde.

Ken­nen Sie noch den Begriff “Tele­spie­le”? Falls nicht: So bezeich­ne­ten Ver­sand­haus­ka­ta­lo­ge Nin­ten­dos NES oder Segas Mas­ter Sys­tem in den 80ern, bevor die Bezeich­nung “Video­spie­le” popu­lär wur­de. Mit der aktu­el­len Retro-Wel­le bei den Kon­so­len sind die­se Zei­ten wie­der ganz nah.

Im Fern­se­hen lie­fen Car­toons wie He-Man und Trans­for­mers, aus dem Radio schall­te Gei­er Sturz­flugs “Brut­to­so­zi­al­pro­dukt”, und Tablets waren höchs­tens aus “2001: Odys­see im Welt­raum” bekannt. So man­cher inzwi­schen erwach­se­ne Gamer denkt wohl gern an die Zeit zurück, obwohl Games damals ungleich här­ter waren. Wir hat­ten ja nichts: Eine Spei­cher­funk­ti­on besa­ßen die wenigs­ten Spie­le, und wenn, dann oft nur in Form eines ellen­lan­gen Pass­worts. Mal eben schnell ein You­Tube-Video auf dem Smart­phone schau­en, um eine kniff­li­ge Stel­le zu meis­tern? Science-Fiction.

Schnell­vor­lauf in die Gegen­wart: “Retro” liegt im Trend. Die Unter­hal­tungs­kul­tur von ges­tern ist “in” – egal ob man damals dabei war oder nicht. Wäh­rend Gra­fik-Kra­cher wie “Unchar­ted 4” zei­gen, was aktu­el­le Kon­so­len kön­nen, erfreut sich die Pixel­gra­fik der 8- und 16-Bit-Ära unge­bro­che­ner Beliebtheit.

Nin­ten­do surft auf der Retro-Welle

Das bekam auch Nin­ten­do mit und ver­öf­fent­lich­te Ende 2016 das NES Clas­sic Mini, rund 30 Jah­re nach dem ursprüng­li­chen Release der Kon­so­le. Der Clou: 30 Klas­si­ker sind dar­auf vor­in­stal­liert, Spei­chern ist jeder­zeit mög­lich und der Anschluss an den Fern­se­her erfolgt zeit­ge­mäß via HDMI-Kabel. Ver­packt ist das Gan­ze in eine nied­li­che Minia­tur-Ver­si­on des Ori­gi­nal­ge­häu­ses, die auf einer Hand­flä­che Platz findet.

Damit die Pixel­gra­fik auch auf moder­nen HD-TVs authen­tisch rüber­kommt, haben die Ent­wick­ler unter ande­rem einen CRT-Fil­ter imple­men­tiert, der die Bild­qua­li­tät eines Röh­ren­fern­se­hers simu­liert. Zwar mögen Puris­ten noch Unter­schie­de zur Ori­gi­nal­hard­ware erken­nen, doch wer sich nicht eine aus­la­den­de Glot­ze nur fürs Retro-Gam­ing ins Wohn­zim­mer stel­len möch­te, für den dürf­te das NES Clas­sic Mini die platz­spa­ren­de­re Vari­an­te sein.

Das schont auch die Brief­ta­sche: Der Retro-Boom hat die Prei­se von Ori­gi­nal­mo­du­len explo­die­ren las­sen. Wer sich die Biblio­thek der Neu­auf­la­ge als Car­tridge in den Schrank stel­len möch­te, muss mit vier­stel­li­gen Beträ­gen rech­nen. All­zu güns­tig ist das NES Clas­sic Mini aber auch nicht mehr, war die Kon­so­le doch schon vor dem Release ausverkauft.

Sechs Jah­re nach dem Deutsch­land-Launch des NES erschien 1992 schließ­lich der 16-Bit-Nach­fol­ger, das Super Nin­ten­do Enter­tain­ment Sys­tem, kurz: SNES. Schnel­ler ging es bei der Retro-Ver­si­on: Nach der Ver­öf­fent­li­chung des NES Clas­sic Mini dau­er­te es nur ein knap­pes Jahr, bis das SNES Clas­sic Mini Ende 2017 auf den Markt kam. Das Kon­zept blieb gleich: Etli­che Spie­le sind vor­in­stal­liert, dar­un­ter “Super Mario World” und “The Legend of Zel­da: A Link to the Past”, wenn­gleich “nur” 21 Titel statt 30. Bemer­kens­wert: Mit “Star Fox 2” ist sogar ein Spiel dabei, das nie einen offi­zi­el­len Release erfah­ren hat­te. “Final Fan­ta­sy III” wie­der­um erschien bis­lang nur in den USA und Japan (dort als Teil 6). Auch hier lässt sich die Kon­so­le bequem per HDMI anschlie­ßen und ein Fil­ter für den pas­sen­den Röh­ren­fern­se­her-Look zuschalten.

Eine Fra­ge wur­de dabei wie­der aktu­ell: Wie spricht man eigent­lich “SNES” aus? Unter Retro-Fans herrscht Unei­nig­keit über die kor­rek­te Aus­spra­che. Man­che bestehen dar­auf, die Buch­sta­ben ein­zeln aus­zu­spre­chen, also “Es-en-eh-es”. Ande­re nen­nen die Kon­so­le ein­fach “Ess­ness”, wäh­rend wie­der ande­re “Sness” zischeln. Omas wis­sen: Das Ding heißt ein­fach “Niten­do” [sic].

Wo bleibt das Mega Dri­ve Clas­sic Mini, Sega?

Wäh­rend Nin­ten­do-Jün­ger mit den neu­en Retro-Kon­so­len die gute alte Zeit nach­er­le­ben dür­fen, fragt sich so man­cher Sega-Fan, wo denn etwa ein Mega Dri­ve Clas­sic Mini bleibt.

Wer online danach sucht, wird schnell fün­dig – das Ange­bot dürf­te aller­dings für Ver­wir­rung sor­gen, da es sich höchs­tens um Gerä­te von Lizenz­neh­mern han­delt, deren Qua­li­tät mal bes­ser, mal schlech­ter ist.

Im Novem­ber 2017 erscheint bei­spiels­wei­se das Mega Dri­ve Flash­back HD von der Fir­ma ATGa­mes. Mit HDMI-Aus­gang, zwei Pads und 85 vor­in­stal­lier­ten Spie­len für rund 80 Dol­lar scheint die Hard­ware an moder­ne Bedürf­nis­se ange­passt zu sein. Anders als Nin­ten­dos Clas­sic-Kon­so­len besitzt die Hard­ware sogar einen Modul-Slot und spielt so auch Ori­gi­nal­spie­le ab. Die Pads sind wire­less – erfor­dern jedoch je zwei AAA-Bat­te­rien. Das Fach ist zudem ver­schraubt, was einen schnel­len Wech­sel ver­hin­dert. Immer­hin: Anschlüs­se für Kabel-Pads sind eben­falls inte­griert. Pro Spiel ste­hen zehn Save-Slots zur Ver­fü­gung – selbst für Module.

Von den 85 Spie­len sind übri­gens nur 45 ech­te Mega-Dri­ve-Titel. 14 stam­men vom Sega Mas­ter Sys­tem, dem 8‑Bit-Äqui­va­lent zum NES. Sie­ben wei­te­re waren nur für die Hand­held-Kon­so­le Game Gear erschie­nen, und die rest­li­chen 19 sind bil­li­ge Sim­pel-Spie­le, die nie einen offi­zi­el­len Release erfah­ren haben und offen­bar dazu die­nen sol­len, die Spe­zi­fi­ka­tio­nen auf dem Papier bes­ser aus­se­hen zu las­sen. Die “Sonic the Hedgehog”-Trilogie nebst Able­ger befin­den sich aber eben­so unter den mit­ge­lie­fer­ten Spie­len wie etwa “Shi­ning Force” oder “Phan­ta­sy Star”. Die Aus­wahl der Spie­le im Menü gestal­tet sich zudem etwa unin­tui­tiv, erfolgt sie doch über But­ton­ein­ga­ben anstatt über das Steuerkreuz.
Ach­tung, bevor Sie im Inter­net die fal­sche Kon­so­le bestel­len: ATGa­mes hat bereits 2015 ein “Mega Dri­ve Clas­sic” ver­öf­fent­licht, das jedoch unter mas­si­ven Sound­pro­ble­men lei­det und weni­ger Fea­tures bietet.

Die Zukunft? Noch mehr Vergangenheit!

2018 steigt auch Video­spie­le-Urge­stein Ata­ri mit der Ata­ri­box in den Retro-Markt ein, setzt dabei aber nicht allein auf Nost­al­gie: Unter der Hau­be ist ein Linux-PC ver­steckt, der schnell genug sein soll, um neben emu­lier­ten Klas­si­kern auch diver­se aktu­el­le PC-Spie­le zu stem­men. Die Ata­ri­box soll in zwei unter­schied­li­chen Ver­sio­nen erschei­nen und zwi­schen 250 bis 300 Dol­lar kos­ten. Kon­kre­te Infos zur Spie­le­bi­blio­thek und den Hard­ware-Spe­zi­fi­ka­tio­nen gibt es bis­lang nicht.

Gut mög­lich, dass die Ata­ri­box gera­de genug Power mit­bringt, um die Linux-kom­pa­ti­blen Steam-Spie­le abzu­spie­len, die zum Groß­teil aus Indie-Titeln bestehen. Den­noch fin­den sich hier hoch­ka­rä­ti­ge wie hoch­ge­lob­te Releases wie “Rocket League”, “The Wit­cher 2” oder “Star­dew Val­ley”. Der Launch ist für Früh­jahr 2018 vorgesehen.

Wer nicht war­ten möch­te, fin­det übri­gens gleich meh­re­re Ata­ri-Flash­back-Kon­so­len, die wie das Mega Dri­ve Flash­back HD von ATGa­mes stam­men. Zuletzt erschien im Sep­tem­ber 2017 das Ata­ri Flash­back 8 mit 105 Spie­len. Einen HDMI-Aus­gang bie­tet aller­dings nur die “Gold”-Variante der Konsole.

Eben­falls im Febru­ar 2018 soll auch eine Neu­auf­la­ge des C64 unter dem Namen THEC64 Mini erschei­nen. Unzäh­li­ge Spie­le waren damals für den Heim­com­pu­ter erschie­nen, ins­ge­samt 64 Titel sol­len mit der Neu­auf­la­ge aus­ge­lie­fert wer­den. Wie bei den Clas­sic-Kon­so­len besitzt die Hard­ware einen HDMI-Aus­gang und diver­se Bild­fil­ter. Statt eines Con­trol­lers liegt ein Joy­stick mit USB-Anschluss bei, der aus­sieht wie ein Com­pe­ti­ti­on Pro. Die Tas­ta­tur ist dabei nur Zier­de, wer Pro­gram­mie­ren möch­te, kann aber ein USB-Key­board anschließen.

Apro­pos: THEC64 Mini wird nicht das ers­te Gerät für Com­mo­do­re-Fans sein. 2004/2005 erschien bereits der C64 DTV mit 30 Spie­len – die gesam­te Hard­ware fand dabei in einem Joy­stick Platz, der dem Com­pe­ti­ti­on Pro nach­emp­fun­den war.

In bei­den Fäl­len han­delt es sich um Lizenz­pro­duk­te. Com­mo­do­re selbst exis­tiert nur noch als Markenname.

Eine Art Ami­ga Clas­sic Mini exis­tiert übri­gens bereits, wenn auch nur inof­fi­zi­ell. Der soge­nann­te Armi­ga ist ein Mini-PC mit ARM-Pro­zes­sor (daher der Name) inklu­si­ve Spe­zi­al­lauf­werk für Ori­gi­nal-Dis­ket­ten in einem kom­pak­ten Gehäu­se für 189 Euro. Eine Vari­an­te ohne Lauf­werk ist für 119 Euro erhältlich.

Apro­pos Ami­ga: Im Rah­men der Retro-Mes­se Amiga32 am 28. Okto­ber 2017 wird ein­ma­lig eine neue Aus­ga­be der Kult­zeit­schrift Ami­ga Joker erschei­nen – mit Bei­trä­gen des Originalteams.

Nin­ten­do könn­te übri­gens schon die nächs­te Neu­auf­la­ge pla­nen, das legt zumin­dest ein neu­er Mar­ken­schutz­ein­trag nahe – und zwar für den Game­boy. Ob wir bald “Tetris” und “Super Mario Land” auf einem Game­boy Clas­sic spie­len kön­nen wer­den, ist aber noch unklar.

Auf der Spie­le­mes­se CES stell­te Her­stel­ler Retro-Bit im Janu­ar 2017 so lan­ge schon ein­mal einen unli­zen­zier­ten Game­boy-Klon namens Super Retro Boy vor. Neben Game­boy-Spie­len soll­te der Hand­held auch Gam­boy-Color und Game­boy-Advan­ced-Modu­le abspie­len. Der Release war für August ange­setzt, inzwi­schen fin­det sich auf der Sei­te des Her­stel­lers jedoch kei­ne Erwäh­nung des Super Retro Boys mehr. Womög­lich hat Nin­ten­do sei­ne recht­li­chen Mus­keln spie­len las­sen, weil eine offi­zi­el­le Neu­auf­la­ge geplant ist.

Als nächs­te sta­tio­nä­re Kon­so­le von Nin­ten­do wäre das N64 dran. Ob wir 2018 mit einem N64 Clas­sic Mini rech­nen dür­fen, bleibt aber zunächst abzu­war­ten. Ein ent­spre­chen­der Mar­ken­rechts­an­trag exis­tiert aber auch hier bereits.

Alles Retro, oder was?

Bereits 2012 hat­te noch eine ganz ande­re Kon­so­le eine Neu­auf­la­ge erfah­ren: das Neo­Geo. Das Ori­gi­nal von 1990 rich­te­te sich vor allem an anspruchs­vol­le wie zah­lungs­kräf­ti­ge Arca­de-Fans. Die Hard­ware ver­sprach Spiel­hal­len-Qua­li­tät für Zuhau­se, dafür kos­te­ten die Modu­le auch ein klei­nes Ver­mö­gen. Prei­se von 400 bis 1.000 Mark waren für import­freu­di­ge Fans ein not­wen­di­ges Übel, um etwa “Metal Slug” wie auf dem Auto­ma­ten zu erle­ben. Unter dem Namen Neo Geo X Gold erschien die Edel-Kon­so­le 22 Jah­re spä­ter als Hand­held für knapp 200 Dol­lar. Um auf dem hei­mi­schen TV zu zocken, lag dem Set ein Dock in Form des Ori­gi­nal­ge­häu­ses bei – Nin­ten­do Switch lässt grü­ßen. Lizenz­ge­ber SNK war mit der Pro­dukt­qua­li­tät von Her­stel­ler Tom­mo aber unzu­frie­den, was zu Strei­tig­kei­ten zwi­schen den Unter­neh­men führ­te. Die Pro­duk­ti­on des Neo Geo X wur­de schließ­lich 2017 eingestellt.

Unter der Fül­le an nicht-lizen­zier­ten Gerä­ten fin­den sich auch eini­ge Exo­ten wie das RetroN 5. Die Kon­so­le besitzt gleich vier Moduls­lots und ist kom­pa­ti­bel mit Car­tridges des NES, SNES, Mega Dri­ve und Game Boy Advan­ced, wobei auch NTSC-Ver­sio­nen aus Japan und den USA lau­fen. Ein Con­trol­ler liegt bei, Ori­gi­nal-Pads las­sen sich aber eben­falls anschlie­ßen. Der Anschluss erfolgt per HDMI, wobei das Bild ein­fach ska­liert wird; Fil­ter wie beim SNES Clas­sic Mini gibt es nicht und mit knapp 200 Euro ist die Hard­ware nicht gera­de günstig.

Auch abseits von Kon­so­len macht der Retro-Boom kei­nen Halt. Kin­der der 90er dür­fen sich auf ein Wie­der­se­hen mit dem Tama­got­chi gefasst machen, dem vir­tu­el­len Haus­tier, das rund um die Uhr um die Auf­merk­sam­keit des Besit­zers buhl­te, sei es in der Schu­le oder beim Abend­essen. Die Neu­auf­la­ge soll im Novem­ber in den USA erschei­nen und spä­ter wohl auch hier­zu­lan­de auf den Markt kom­men. Ver­än­dert hat sich kaum etwas: Das Tama­got­chi ist etwas klei­ner als das Ori­gi­nal, behält sei­ne Eier­form aber bei und setzt auch 2017 noch auf einen mono­chro­men LCD-Screen. Neu ist, dass die digi­ta­len Beglei­ter auch mit Ihres­glei­chen kom­mu­ni­zie­ren kön­nen. Einen Release-Ter­min für Deutsch­land gibt es bis­lang nicht.

Ein Blick in die US-Film­in­dus­trie zeigt eben­falls, dass Retro und Nost­al­gie zieht. 80er und 90er-Seri­en wie “Bay­watch”, “Full House” und “Batt­le­star Galac­ti­ca” ste­hen ent­we­der als Reboot oder als Fort­set­zung in Strea­ming-Por­ta­len wie Net­flix parat. Das Kino zeich­net ein ähn­li­ches Bild: Ob “Ghost­bus­ters”, “Bla­de Run­ner 2049” oder “Es” – die gro­ßen Namen von einst keh­ren zurück. Die pas­sen­de Film­kri­tik ver­schickt der geneig­te Retro-Fan mit dem Nokia 3310 von 2017. Wie es scheint, wird es also auch in Zukunft noch so man­ches Wie­der­se­hen mit alten Freun­den geben. Zumal es noch genug Hard­ware ohne Neu­auf­la­ge gibt, wie ein Blick in die Samm­lung von über 170 Kon­so­len auf consollection.de zeigt. In die­sem Sin­ne: Bis gestern.

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