Anfang 2023 stellte Fairphone die Software-Unterstützung für das Fairphone 2 ein. Zu dem Zeitpunkt war das Smartphone über sieben Jahre alt und hatte in der Zwischenzeit fünf Android-Generationen erlebt: von Android 5 bis Android 10 im März 2022. Nicht einmal Google selbst, das Unternehmen hinter Android, bietet für seine Pixel-Geräte über einen so langen Zeitraum OS-Updates an. Doch nicht nur das macht Fairphone als Unternehmen und als Produkt einzigartig. Seit dem 30. August 2023 ist mit dem Fairphone 5 die neuste Generation des niederländischen Smartphones erhältlich. Wir haben uns das modulare Handy im Detail angeschaut, es auseinandergebaut und wieder zusammengesetzt – und das ganz ohne Hilfe.
Nothing hat Transparent als Ersatzfarbe bei Smartphones und Gadgets salonfähig gemacht. Aber schon 2019 hatte Fairphone dem Fairphone 3 eine durchsichtige Rückseite aufgesetzt. Das Fairphone 4 wiederum bot eher klassische Farben, während das 2023er Modell wieder mit Transparent als Option angeboten wird – mal sehen, was das für das Fairphone 6 in ein paar Jahren bedeutet. Bei Nothing ist das durchsichtige Design vor allem ein Alleinstellungsmerkmal, das der Optik dient. Dass du bei deinem Fairphone 5 ebenfalls Einblick in den Maschinenraum erhältst, hat hier aber einen handfesten Grund: Fairphone traut dir nämlich zu, dass du dein Smartphone als Feinmechaniker*in selbst reparieren kannst – zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Dieses Vertrauen in die Autonomie seiner Kundschaft beschert dem Unternehmen aus dem Nachbarland auch als einziges eine zehn von zehn bei der Reparierbarkeit von Smartphones. Die Expert*innen von iFixit zerlegen regelmäßig neue Smartphones, um zu überprüfen, wie leicht sich diese instand setzen lassen. Wenig überraschend: Die ersten drei Plätze haben das Fairphone 2 bis 4 für sich als Langzeitparker reserviert. Nach unserem Test würde es uns nicht überraschen, wenn es sich das Fairphone 5 ebenfalls zeitnah auf dem Treppchen gemütlich macht.
Das erklärte Ziel von Fairphone ist es, nachhaltige und fair produzierte Produkte anzubieten. Vor allem technische Geräte entstehen oft unter zweifelhaften und ausbeuterischen Umständen. Fairphone positioniert sich als Unternehmen und seine Produkte deshalb als langlebigen und transparenten Gegenentwurf dazu. Als einziger Smartphone-Hersteller wurde Fairphone dafür bereits zweimal mit dem Blauen Engel vom Bundesumweltamt ausgezeichnet und hat – ebenfalls als einziger Hersteller in diesem Segment – Fairtrade Gold in seine Lieferkette integriert. Um die Produktion des Fairphone 5 darüber hinaus möglichst klimaneutral zu halten, recycelt das Unternehmen für jedes verkaufte Exemplar die gleiche Menge an Elektroschrott. Pro Fairphone 5 werden somit 212 Gramm an ausrangierter Technik in den Kreislauf zurückgeführt, verspricht Fairphone. Recycling findet beim Fairphone 5 aber auch schon während der Produktion statt: So soll es sich bei 70 Prozent der 14 Hauptbestandteile des Smartphones um entweder recyceltes oder fair beschafftes Material handeln.
Sofern du dich tiefergehend mit dem Nachhaltigkeitsgedanken von Fairphone auseinandersetzen möchtest, sei dir die Lektüre des Fairphone-Blogs empfohlen. Dort beleuchten zahlreiche Artikel die Idee, Entwicklung und Produktionsbedingungen des modularen Smartphones:
Möglicherweise ist dir im Zusammenhang mit Apple bereits der Begriff „geplante Obsoleszenz“ begegnet. Dieser beschreibt den von Unternehmen vorgesehenen Verschleiß von Produkten. 2017 hatte Apple diese Form der systemischen Manipulation eingeräumt und musste daraufhin in mehreren Ländern Schadensersatzzahlungen leisten. Mit seinem hohen Maß an Modularität wirkt Fairphone diesem Verschleiß – ob geplant oder nicht – aktiv entgegen. Denn anders als der Großteil der Smartphone-Hersteller duldet Fairphone das eigenmächtige Reparieren des Smartphones nicht nur, sondern macht es zum Teil seines Konzepts. Damit weist das niederländische Unternehmen auch zehn Jahre nach Gründung ein Alleinstellungsmerkmal auf – das bis heute leider keine Schule gemacht hat. Gut möglich, dass sich Apple und Co. ab 2027 der Idee zumindest teilweise annähern, wenn die vom Europaparlament verabschiedete Batterie-Verordnung auch für verklebte Akkus in Kraft tritt. Bis dahin haben die anderen Hersteller noch Zeit, sich bei Fairphone anzuschauen, wie man kundenfreundliches und ansprechendes Design miteinander verheiratet – ohne allzu große Kompromisse eingehen zu müssen.
Alles, was es für die Reparatur des Fairphone 5 braucht, ist ein Schraubendreher in der Größe PH00, den du passenderweise direkt bei Fairphone selbst beziehen kannst. Dem Smartphone beiliegen tut das Werkzeug nämlich genauso wenig wie ein USB-C-Ladekabel oder ein Netzteil. Fairphone geht davon aus, dass beides in den meisten Haushalten zu finden sein dürfte – auch hier wieder: Nachhaltigkeit als oberstes Ideal. In seinem Hands-on zu den Fairbuds XL empfiehlt Thomas zudem einen Opening Pick als zusätzliches Hilfsmittel. Kein Muss, aber eine sinnvolle Erleichterung, vor allem beim Lösen der Steckverbindungen. Zum Hands-on selbst geht es hier entlang:
Über einen Spalt am unteren Rahmen öffnest du die aus Kunststoff gefertigte und daher flexible Motorhaube – pardon – Rückseite. Ältere Semester werden sich an diesen Schritt noch von klassischen Handys erinnern. Der Akku mit seinen 4.200 Milliamperestunden liegt daraufhin frei zugänglich vor dir und lässt sich einfach herausnehmen. Idealerweise schaltest du das Gerät vorher aus. Über zwölf silberfarbene Schrauben löst du nun die einzelnen Module vom Gehäuse, acht weitere in Schwarz halten den Bildschirm fest – auch dieser lässt sich ausbauen. Möchtest du beim Fairphone 5 runter bis aufs Blech und alle zehn Einzelteile entfernen, dauert der Vorgang selbst bei ungeschickten Händen maximal zehn Minuten.
Der modulare Aufbau des Fairphone 5 erlaubt dir, gezielt einzelne Module auszubauen und bei Bedarf durch neue auszutauschen. Folgende zehn Module kannst du ohne großen Aufwand entfernen: Display, Frontkamera, Hauptkamera, Weitwinkelkamera, USB-C-Anschluss, Lautsprecher, Akku, Top-Einheit (enthält unter anderen den SIM- und den microSD-Karten-Slot), Hörmuschel (kleiner Lautsprecher für Telefonate) sowie die Rückseite. Preislich bewegen sich die Ersatzteile für die einzelnen Module zwischen 19,95 Euro, etwa für den USB-C-Anschluss, und 99,95 Euro für das Display. Würdest du alle zehn Teile auf einmal austauschen wollen, wären das in Summe 419,50 Euro. Damit hättest du möglicherweise einem zu leisen Lautsprecher, einem gerissenen Bildschirm, einer zerkratzten Kamera und einem schwächelnden Akku entgegengewirkt – und dabei beinahe 300 Euro gegenüber dem Neukauf des Smartphones gespart.
Was durch die Modularität des Fairphone 5 übrigens nicht möglich ist: Upgraden. Fairphone bietet für seine Smartphones keine besseren bzw. leistungsstärkeren Module an. Tauschst du nach drei Jahren die Kamera des Gerätes aus, ist darin weiterhin der gleiche 50 Megapixel starke Sony-Sensor verbaut. Seit Bestehen hat Fairphone hier lediglich einmal eine Ausnahme gemacht: Als 2020 das Fairphone 3+ in den Handel kam, konnten Käufer*innen des nur ein Jahr zuvor erschienenen Fairphone 3 die verbesserten Kameramodule nachrüsten. Zwischen den Generationen liegen bei Fairphone sonst normalerweise zwei Jahre. Apropos Generationen, Module neuerer Modelle lassen sich nicht in alten Fairphones verbauen. Dass Fairphone irgendwann die Produktion der Ersatzteile einstellen könnte, muss dir zudem keine Sorgen machen. Selbst für das Fairphone 2 finden sich weiterhin vereinzelt Restbestände der Module im Shop – auch, wenn diese nicht mehr nachproduziert werden. Das Unternehmen teilt das Ende einer Geräte-Generation seinen Nutzer*innen zudem vorab mit und bietet ihnen an, das Altgerät im eigenen Wiederverwendungs- und Recyclingprogramm gegen eine Gutschrift einzutauschen – wohlgemerkt bei einem fast zehn Jahre alten Gerät.
Davon ab ist Fairphone bei seinen Geräten auch offen dafür, dass Nutzer*innen darauf alternative Betriebssysteme wie /e/OS und LineageOS installieren, falls ihnen Android nicht zusagt. Die Garantie erlischt dadurch nicht. Fünf Jahre räumt dir Fairphone hier ein, du hast also sehr lange Anspruch auf Hilfe und Austausch. Bei der Software unterstützen die Niederländer ihre Produkte sogar noch länger: Acht Jahre Software-Support gehören beim Fairphone zum Verkaufsargument. Damit ist dein Fairphone 5 bis einschließlich 2031 durch regelmäßige Sicherheitspatches geschützt. Dazu kommen fünf OS-Updates. Bis Android 18 will Fairphone das Google-Betriebssystem auf seinem aktuellen Smartphone begleiten. Das ist vorbildlich – und verspricht nicht einmal Google selbst. Das ab Werk installierte Android 13 ist übrigens nahe dran am Original. Fairphone nimmt keinerlei Änderungen am Betriebssystem vor und fügt mit der Fairphone-App lediglich eine einzige Google-fremde hinzu. Ansonsten findet sich auf dem Fairphone 5 keine Bloatware oder anderweitig vorinstallierte Software. Selbst beim Hintergrund hat sich das auf Nachhaltigkeit bedachte Unternehmen auf ein einzelnes eigenes Bild beschränkt.
Trotz der vielen Bauteile fürchtet sich das Fairphone 5 dennoch nicht vor Staub und Wasser. Eine IP55-Zertifizierung sorgt dafür, dass Staub in schädigender Menge und Strahlwasser aus jeder Richtung dem Smartphone nichts anhaben können. Sollte trotzdem mal ein Fremdkörper eindringen, kannst du ihn zum Glück einfach selbst entfernen.
Mit 699 Euro kostet das Fairphone 5 ähnlich viel wie das Nothing Phone (2) oder das aktuelle iPhone SE in der höchsten Speicheroption. Mit dem Unterschied, dass das Fairphone 5 lediglich in einer Speichervariante angeboten wird: 256 Gigabyte ROM-Speicher gehören hier zur Standardausstattung – was bei manch anderem Hersteller gleich nach einem Aufpreis verlangt. Der Arbeitsspeicher des Baukastenhandys beläuft sich auf acht Gigabyte RAM – was 2023 der gängige Standard abseits vom Premium ist. Allerdings hat das Fairphone 5 gegenüber dem Wettbewerb noch ein Ass im Ärmel bzw. unter dem Akku: Dort findet sich nämlich Platz für eine microSD-Karte. Somit erweiterst du den Speicher auch nachträglich noch auf bis zu zwei Terabyte. Das wiederum ist ein Trend, der in dem Preissegment nicht mehr üblich ist.
Gerechnet wird im Fairphone 5 mit einem QCM 6490 von Qualcomm. Die Wahl des Prozessors erscheint zunächst ungewöhnlich, handelt es sich hierbei doch um einen für industrielle IoT-Anwendungen entwickelten Chipsatz. Technisch ähnelt der QCM 6490 jedoch dem häufig in Smartphones anzutreffenden Snapdragon 782G. Die Entscheidung, die zu dem QCM 6490 statt dem 782G geführt hat, lässt sich erneut mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit begründen: So erklärt das Unternehmen im der Pressemitteilung zum Fairphone 5, dass Chipsätze, die für industrietaugliche Hardware und Geräte entwickelt werden, für eine längere Lebensdauer konzipiert seien. Vermutlich lässt sich nur so das lange Update-Versprechen aufrechterhalten.
Potent zeigt sich der QCM 6490 aber allemal. Für alltägliche Anwendungen reicht die Prozessorleistung im Tandem mit dem Arbeitsspeicher locker aus: Das Scrolling durch Feeds läuft – auch dank der 90-Hz-Bildwiederholrate des OLED-Bildschirms – flüssig und ohne sichtbare Verzögerung. Displayberührungen werden zuverlässig erkannt und sofort in Aktionen umgesetzt. Lediglich das Aufwecken des Geräts bei Antippen des Bildschirms will partout nicht funktionieren. Hier müsste ein Software-Update nochmal ausbessern. Davon ab erfüllt das Fairphone 5 meine Eingaben und Erwartungen mit zufriedenstellender Präzision. Ein Call of Duty Mobile läuft selbst in den höchsten Detailstufen bei konstanten 60 Bildern pro Sekunde. Einziges Manko: Das Fairphone 5 heizt sich unter Volllast, etwas bei längeren Spielsitzungen, spürbar auf. Schuld daran dürfte unter anderem die Kunststoffrückseite sein, die die Wärmeentwicklung wenig abschirmt. Neben seinen acht Kernen beherbergt der System-on-a-Chip (SoC) ein 5G-Modem und unterstützt das Wi-Fi-6E-Frequenzband. Breitbandtechnisch ist das Fairphone 5 damit für die nächsten Jahre gut aufgestellt.
Der Bildschirm des Fairphone 5 misst 6,46 Zoll in der Diagonale und damit minimal mehr als sein Vorgänger. Der größere Unterschied macht sich in der Technologie bemerkbar: Erstmals verbaut Fairphone ein OLED-Panel statt LCD, das zum Beispiel eine Always-On-Funktion erlaubt. Auch die Bildfrequenz wurde angehoben und liegt mit 90 Hertz nun sogar über der des iPhone 14. Das Display des Fairphone 5 beherrscht eine Auflösung von 1.224 x 2.770 Pixeln, was einer Pixeldichte von 459 ppi entspricht. Damit stellt das faire Smartphone selbst feine Details in Bildern scharf und gut erkennbar dar. Von der modernen Displaytechnologie, die auch mit Schwarzwerten besser umzugehen weiß, profitieren auch deine Fotos. Immerhin bietet das Fairphone gleich drei 50-Megapixel-Kameras: zwei hinten und eine vorne mittig am oberen Rand.
Entsperrt wird das Fairphone 5 übrigens wahlweise über einen Fingerabdrucksensor, der in der Einschalttaste integriert ist, oder per Gesichtserkennung.
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