Beim Kauf von Kopfhörern zählen meist bestimmte Qualitäten: Bequem sollen sie sein, selbstverständlich gut klingen und im Idealfall noch schick aussehen, damit du dich draußen damit zeigen kannst. Doch es gibt einen Punkt, der bei der Anschaffung keine Rolle spielt: die Reparierbarkeit. Genau da setzt Fairphone mit seinen Fairbuds XL an – und ist ein Vorbild für die ganze Branche.
Bluetooth-Kopfhörer gibt es auf dem Markt viele. Over-Ears, On-Ears, In-Ears: Die Auswahl ist gigantisch. Gerade gegen die Übermacht von etablierten Herstellern wie Sony, Bose, Sennheiser, JBL & Co. scheint kein Kraut gewachsen zu sein. Kaum ein Markt im Technik-Bereich ist schließlich stärker umkämpft. Dennoch hat Fairphone den Einstieg gewagt. Nach Smartphones gibt es jetzt also auch Kopfhörer. Derer sogar zwei Stück: die kleinen True-Wireless Kopfhörer und die Fairbuds XL. Letztere haben ihren Weg in unsere Redaktion gefunden.
Dort haben sie, wider Erwarten, für einige erstaunte Gesichter und viel Zuspruch gesorgt – noch vor dem Aufsetzen. Der Grund dafür ist einfach: Fairphone setzt sehr stark auf das sogenannte „Recht auf Reparierbarkeit“, zu englisch „right to repair“. Wer bereits von den Smartphones der Marke gehört hat, weiß vielleicht, dass damit das Austauschen von Einzelteilen in Eigenregie gemeint ist.
Die Fairbuds XL machen da keine Ausnahme, denn du kannst sie komplett zerlegen. Komplett? Ja, wirklich. Die Explosionsansicht unten, die übrigens auch mit Erklärung der Einzelteile in der App verfügbar ist, zeigt das eindrücklich. Eine Abdeckung der Ohrmuscheln ist beschädigt? Nimm sie ab und tausch sie aus. Einer der Treiber funktioniert nicht mehr richtig? Baue ihn aus und einen neuen ein. Das Kabel hat einen Wackler? Nimm es ab und schließe ein neues an. Der Akku lässt nach? Setze einen neuen ein. Das lässt sich beliebig fortführen – mit jedem einzelnen Bestandteil der Kopfhörer.
Nachschub bekommst du bei Fairphone selbst. Du musst also nicht gleich die Kopfhörer in den Elektroschrott werfen und neue kaufen, sondern tauschst ein (deutlich günstigeres) Teil aus. Das spart auf der einen Seite Kosten, auf der anderen tut es der Umwelt gut. Schließlich entsteht so weniger Müll. Fairphone geht also einen konsequent anderen Weg als konkurrierende Hersteller, die ihre Geräte immer geschlossener designen und sie so kaum bis gar nicht reparierbar machen. Dabei sollten sie sich dringend Fairphone zum Vorbild nehmen.
Die Kopfhörer sind so designt, dass sie relativ einfach auseinandergenommen werden können. Das ist an jedem Einzelteil zu merken. Mithilfe einer kleinen Einkerbung an den Ohrmuscheln lassen sich die Seitenteile abnehmen, das Kopfband ist mit einer magnetischen Naht ausgestattet, die Kabel einfach per USB-C-Port eingesteckt. Die Explosionsansicht in der App zeigt dir außerdem recht übersichtlich an, aus welchen Einzelteilen die Kopfhörer genau bestehen. Leider fehlt eine einfach zu erreichende und detaillierte Anleitung – welche Schrauben und Clips du lösen musst, um die einzelnen Teile auseinanderzunehmen. Mit ein wenig Geduld lässt sich das aber auch so herausfinden.
An Werkzeug solltest du zwei Dinge haben: einen Kreuzschlitzschraubendreher mit einem recht kleinen Kopf (Phillips #0 oder #1) und einen „Opening Pick“. Letzteres ist ein kleines Plastik-Plättchen, das einem Plektrum für eine Gitarre ähnelt. Damit kannst du vorsichtig Clip-Verbindungen lösen – auch bei Laptops und vielen anderen Geräten.
Moderne Elektrogeräte sind meist geschlossen gestaltet, um einen möglichst sauberen Look zu gewährleisten. „Wie aus einem Guss“ sollen sie aussehen, ohne Spalten oder Anschlüsse. Bei gut zu reparierenden Kopfhörern wie den Fairbuds XL liegt der Verdacht nahe, dass die negativen Auswirkungen auf das Design groß sind. Fairphone beweist aber eindrucksvoll das Gegenteil. Die Fairbuds XL sehen wirklich gut aus und müssen sich keinesfalls vor der Konkurrenz verstecken. Für mich persönlich gehören sie sogar zu den schönsten Kopfhörern, die es aktuell zu kaufen gibt.
Das gilt gerade für die grüne Version, die mit den bunt gesprenkelten Ohrmuscheln und den orangefarbenen Details aus der Masse heraussticht. Alle Materialien fühlen sich gut und recht hochwertig an. Dabei besteht der Kopfhörer zu einem großen Teil aus recyceltem Aluminium, Kunststoff und Textil. Nachhaltig muss also weder unschön noch minderwertig sein.
Zugegeben: Wie ein guter Kopfhörer klingt, kommt immer auf den eigenen Geschmack an – solange er nicht grundsätzlich etwas falsch macht. Die Fairbuds XL trauen sich nicht viel, bieten ein relativ ausgewogenes Hörerlebnis mit, für meinen Geschmack, zu stark betonten Höhen und zu schwachen Tiefen. Dadurch hören sie sich ein wenig langweilig an. Nachsteuern lässt es sich über den in die App eingebauten Equalizer. Der hat allerdings ein kleines Problem, denn er bietet nur die „Signature-EQ-Voreinstellungen“ an, die Fairphone zusammen mit den Audio-Expert*innen von Sonarworks entwickelt hat.
Der Standard ist „Amsterdam“, der den wohl ausgewogensten Klang bietet. Wirklich viel Veränderung bekommst du mit den anderen Presets aber nicht in die Treiber. Sehr schade ist, dass Fairphone über die App keine eigene Anpassung des Sounds erlaubt. Du bist immer rein auf die Presets beschränkt, kannst also etwa nicht manuell die Bassfrequenzen anheben. So fehlt es dem Sound stets ein wenig an Wärme.
Um die Musik besser genießen zu können, sperren die Fairbuds XL auf Wunsch Töne von außen aus – zumindest versuchen sie es. Das aktive Noise-Cancelling nimmt Umgebungsgeräusche über Mikrofone auf und steuert mit bestimmten Frequenzen individuell dagegen. Das klappt bei den Kopfhörern von Fairphone ganz okay. Kommst du von aktuellen Sony- oder Bose-Kopfhörern, fällt der Unterschied aber schon sehr deutlich auf. Sie spielen in einer ganz anderen ANC-Liga, nehmen Umgebungsgeräusche deutlich besser aus dem hörbaren Bereich.
Ähnlich sieht es beim Transparenzmodus aus. Der soll dafür sorgen, dass du Gespräche führen oder die Straße hören kannst, ohne die Kopfhörer abzunehmen. Hier differenzieren die Fairbuds nicht zwischen wichtigen und störenden Geräuschen, sondern drehen einfach alles auf. So richtig sinnvoll ist das leider nicht.
Was die Steuerung von Lautstärke, Playback und ANC angeht, gibt es an den Fairbuds XL absolut nichts zu meckern. Statt einer nervigen und oft schlecht reagierenden Touch-Bedienung, sitzt an den Ohrmuscheln ein Button sowie ein kleiner Joystick. Der Knopf steuert das Noise-Cancelling, der Joystick den Rest. Das funktioniert hervorragend.
Bist du unterwegs und hast kein 3,5‑mm-Kopfhörerkabel dabei (oder keinen passenden Anschluss dafür), sollte der Akku natürlich durchhalten. Die 800 Milliamperestunden Kapazität zeigen sich bei den Fairbuds XL tatsächlich durchaus langatmig. Bei täglichem, stundenlangem Hören mussten sie nur alle paar Tage an den Strom. Fairphone spricht von über 26 Stunden mit aktivem Noise-Cancelling und mehr als 30 ohne. Das ist ein wirklich gutes Niveau.
Reparierbarkeit hat ihren Preis: Fairphone spielt mit den Fairbuds XL zu einem Preis von 250 Euro in den Gefilden etablierter Hersteller wie Sony und Bose mit. Dafür bekommst du die Kopfhörer, einen Beutel zur Aufbewahrung und eine gedruckte Kurzanleitung. Lade- und Klinkenkabel suchst du vergebens. Die musst du extra kaufen, wenn du sie willst. Fairphone verkauft das mit dem Umwelt-Gedanken, denn würde das Unternehmen das Zubehör einpacken und du brauchst es nicht, entsteht am Ende nur mehr Müll.
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