Blockchain: Flop oder Alleskönner?
"Working on the chain": Revolutioniert die Blockchain-Technolgie den Online-Handel?
Insofern waren unsere (und bestimmt auch viele andere) Tech-Trendscouts wohl temporär von allen guten Geistern verlassen, als sie die Plattform zum neuen Holodeck im eCommerce erklärten. Blöd gelaufen. Jetzt sitzen wir auf dem falschen Pferd. Wer sagt´s dem Chef? Stopp!
Nicht jede durchs digitale Dorf getriebene Technik muss automatisch zum bestimmenden Trendsetter für alle Industrien werden. Schließlich muss der Wurm dem Fisch nicht nur schmecken, sondern auch zum Haken passen. ComBOTS sollte auch mal der weltweit führende Online-Messenger werden. Oder kann sich noch irgendjemand an Lycos erinnern? Offensichtlich gibt es in dieser Hinsicht keinen großen Unterschied zwischen Technik, Produkten oder Dienstleistungen. Ergo: ein „Match“ gibt es nur, wenn die Technologie zum unternehmerischen Ziel passt. Geht da vielleicht doch was, so als Plattform & Blockchain-Kombinette?
Schließlich hat Letztere in der Tat einiges zu bieten. Beispielsweise großes Potenzial, um zentralistische Transaktionssysteme abzulösen und neue Geschäftsmodelle in vielen Branchen durchzusetzen. Doch was kann sie real im Online-Handel bewirken? Wie können Lieferanten, Kunden und Marktplätze von der Blockchain-Technologie profitieren? Und wo vielleicht auch nicht?
Zur Blockchain-Technologie gibt es mittlerweile Artikel wie Sand am Meer. Daher hier für Schnell-Leser sowie Liebhaber kruder Thesen vier weitestgehend zusammenhanglose Behauptungen, die Stephan Biallas, Partner bei EY, geduldig und professionell kommentiert.
Vorsicht These: Dank Blockchain werden Online-Geschäfte endlich sicher.
Stephan Biallas:Dank SSL und TLS Verschlüsselung sind Online-Shopping oder -banking heute schon sehr sichere Anwendungen. Die Blockchain entfaltet ihre Wirksamkeit eher auf anderem Terrain. Zum einen bei der Absicherung von Transaktionen ohne einen Intermediär – also z.B. einen Zahlungsabwickler oder Plattform- bzw. Shopbetreiber. Zum anderen bei der vor Fälschung geschützten Produktinformation. Wenn die initialen Eingaben, beispielsweise die Inhaltsstoffe und Fertigungsdetails eines Textilartikels, durch den Hersteller korrekt in die Blockchain „eingegeben“ und bestenfalls noch durch eine externe Prüfstelle zertifiziert wurden, steht deren Echtheit und Fälschungssicherheit außer Zweifel. Gleiches gilt auch für die Verifizierung von Identitäten. Haben sich beispielsweise Verkäufer und Käufer gegenseitig mittels bestimmter persönlicher Identifizierung-Merkmale ausgewiesen, schließt die Blockchain jeglichen Identitätsdiebstahl durch Fälschung oder Diebstahl dieser Daten aus.
Die Plattform ist tot, es lebe die Blockchain.
Stephan Biallas: Diese Konsequenz kann ich so nicht erkennen - eher ist das Gegenteil der Fall. Die Blockchaintechnologie wird Plattformgeschäftsmodelle noch erfolgreicher machen. Grundsätzlich kann die Blockchain viele klassische Intermediäre durch die ihr inhärente peer2peer-Charakteristik überflüssig machen. Wer beispielsweise per Bitcoin seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Rechnungssteller nachkommt, braucht keine dazwischen geschaltete Bank mehr. Nicht zu unterschätzen ist aber, dass viele der heute stark frequentierten Intermediäre Marktplätze, Plattformen oder Dienstleister sind, die von bekannten und vertrauenswürdigen Marken betrieben werden. Und diese werden nicht zuletzt aufgrund ihrer vielfältigen und komfortablen Servicelandschaft von Millionen Usern gerne genutzt. Insofern sollten Plattformen die Blockchain-Technologie nicht als Bedrohung empfinden, sondern vielmehr als Möglichkeit erkennen, neue mehrwertstiftende Angebote und Nutzungsszenarien auf Basis dieser Technologie zu entwickeln.
Die Blockchain ist der neue Liebling des Marketings.
Stephan Biallas: Warum nicht? Die Blockchain kann Vertrauen beim Geschäftspartner bzw. Konsumenten aufbauen, weil sie es möglich macht, das vom Anbieter unterbreitete Kundenversprechen auf dessen Relevanz und Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Beispiel: Eine Jeans wurde in Asien gefertigt, wobei definierte Sozialstandards genauso wie EU-Richtlinien hinsichtlich der Produktsicherheit berücksichtigt wurden. Der Transport nach Europa erfolgte wie auch nachfolgend die Verpackung, der Versand und die Zustellung an die Haustür so ressourcenschonend wie möglich. Das alles kann über die Blockchaintechnologie fälschungssicher dokumentiert und lückenlos nachgewiesen werden. Unabhängige Zertifizierer wie der TÜV, die Stiftung Warentest oder andere überprüfen und bestätigen die Richtigkeit der gemachten Angaben in regelmäßigen Abständen. Mehr Transparenz gegenüber dem Verbraucher geht nicht - ein Aspekt, den jeder Marketingstratege sicherlich gerne kampagnenfähig verarbeitet.
CSR ist out: Ohne mehr Atomkraftwerke keine Blockchain im eCommerce.
Stephan Biallas: Richtig ist, dass die für die Generierung und den Handel mit Kryptowährungen benötigten komplexen Algorithmen einen immensen Energiebedarf haben, der im Falle von Bitcoin ca. 12% des Energiebedarfes von Deutschland entspricht. Im Unternehmensumfeld werden aber deutlich weniger komplexe und energieintensive Blockchain-Verschlüsselungsalgorithmen benötigt. Zudem muss man kein Prophet sein, um die weitere Entwicklung dieser Verschlüsselungstechnik zumindest in groben Zügen zu antizipieren. Schauen wir uns die Entwicklung der Tonträger an: Von der Schellack-Platte über die CD bis hin zu MP3 und Streaming – immer ging es um Qualitätsverbesserung bei gleichzeitiger Kompression und Effizienzsteigerung. Auf die Blockchain-Technologie angewendet bedeutet das: der Energieverbrauch wird weiter sinken. Spätestens bis zur „Blockchain Enabled Plattform 2.0“ …