Shoppen per Sprachbefehl
Wie Alexa und Co. den E-Commerce verändern
„Okay Google … Was ist Conversational Commerce?”
Als Conversational Commerce (CC) oder auch Voice Commerce bezeichnen Wirtschaftsexperten einen neuen Zweig im E-Commerce. Unter dem Begriff versteht man das Konzept des Online-Einkaufens via Sprachbefehl, der von einem digitalen Assistenten bearbeitet wird.
Diese neue Art des Shoppings kann über unterschiedliche Konversationskanäle stattfinden, wie etwa über die sogenannten Smart Speaker (z. B. Amazon Echo oder Google Home), Instant Messaging (z. B. WhatsApp) oder Chatbots. In allen Konversationskanälen werden die Nutzer entweder in Form einer textbasierten oder einer sprechenden Künstlichen Intelligenz (KI) unterstützt. Das Ziel von Voice Commerce ist es in der Regel, das Einkaufen online für den Kunden so einfach wie möglich zu gestalten, dabei zu helfen, Artikel für einen späteren Einkauf vorzumerken oder einfache Fragen schnell zu beantworten. Die Interaktion findet dabei immer online statt, so sind z. B. alle Smart Speaker jederzeit mit dem Internet verbunden.
Voice Commerce ist das neue „Smartphone“
Jede Technologie fängt einmal klein an – als das erste Smartphone 2008 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, steckte es noch in den Kinderschuhen. Erst mit fokussierter Weiterentwicklung der Technologie kamen diverse Funktionen hinzu. Heute fungiert das Smartphone als Alleskönner und Schaltzentrale für den digitalen Alltag.
Neue Technologien entwickeln sich exponentiell – wer sie heute unterschätzt und belächelt, wird morgen von ihnen überrollt!
Ähnlich verhält es sich mit CC-Technologien: Bots, die auf Machine Learning basieren, verstehen zunächst wenig und besitzen nur sehr rudimentäre Fähigkeiten. Doch schon bald lösen bessere und komplexere Versionen die alten, regelbasierten Bots ab und ermöglichen damit viele neue Funktionen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können.
Mit OTTO in die Zukunft des Conversational Commerce
OTTO hat als eines der ersten Unternehmen deutschlandweit den Schritt Richtung Conversational Commerce auf verschiedenen Kanälen gewagt. Seit 2013 feilt der Konzern zum Beispiel an Clara, einem regelbasierten Sprachbot, der mit ungefähr 12.000 möglichen Antworten einfache Fragen von Kunden jederzeit beantworten kann. OTTO hat schon früh erkannt, dass ein guter Chatbot zur Entlastung des Kundenservice und für die Kundenkommunikation genutzt werden kann. Wichtig dabei: Der Bot soll den Mitarbeiter nicht ersetzen, sondern unterstützen.
Ein guter Chatbot unterstützt, indem er simple Anliegen selbständig löst. Das entlastet die Kollegen, sodass diese kompliziertere Kundenanliegen bearbeiten können.
Clara kann einfache Fragen selbständig beantworten und filtert komplexe Anfragen heraus, um diese an echte Service-Mitarbeiter weiterzuleiten. Damit ist sie die perfekte Unterstützung für das Team.
Seit kurzem ist OTTO auch per Direct Messaging zu erreichen. So kann der Kunde per WhatsApp beispielsweise Fragen zum Kundenkonto oder zum Lieferstatus erfragen. Für Kunden ist das überaus vorteilhaft, da sie in Echtzeit jederzeit und überall ihre Anliegen lösen können. Dementsprechend gibt es auch sehr positives Feedback von den Anwendern. Im Monat bearbeitet OTTO rund 40.000 Kundenanfragen mit ungefähr vier Nachrichten pro Kontakt.
Des Weiteren ist OTTO seit Dezember letzten Jahres auch auf dem Google Assistant Smart Speaker unterwegs. Hier können Kunden den Deal des Tages abfragen und kaufen oder den Lieferstatus ihrer Sendungen erfragen. OTTO ist damit einer der ersten Commerce-Cases für den Google Assistant.
Schon heute arbeitet OTTO daran, die Möglichkeiten und Befehle für ihre selbständigen Helfer weiterzuentwickeln und zu optimieren. Zukünftig sind viele weitere Anwendungsfälle denkbar.
Was für einen Einfluss hat Voice Commerce auf die Customer Journey?
Unsere digitalen Assistenten ermöglichen es uns schon heute, Dinge genau dann zu bestellen, wenn sie nötig oder gefragt sind. Eine kleine Veränderung mit großer Wirkung.
Wir glauben nicht daran, dass die Smart Speaker den E-Commerce disruptieren werden – vielmehr werden sie ein weiterer Schritt in der Customer Journey sein.
In Zukunft musst du dir also Produkte, an denen du Interesse hast, nicht mehr notieren oder merken, bis du mehr Zeit zum Recherchieren hast. Stattdessen kannst du nun ganz einfach alle Informationen per Sprachbefehl abfragen, ein Angebot auswählen und zuschlagen. Falls du selbst noch mehr Informationen sammeln möchtest, ist das auch kein Problem: Der Assistent packt den Artikel mit allen Informationen einfach auf eine Merkliste. So sparst du Zeit – und das Unternehmen riskiert nicht, dass du das Produkt wieder vergisst.
Bei OTTO führen wir gerne das Beispiel mit den Geschirrhandtüchern an: Du stellst beim Geschirrabtrocknen fest, dass ein neues Handtuch nötig wäre. Leider hast du aber gerade nasse Hände und kannst das Smartphone nicht bedienen. Also sagst du einfach: „Ok, Google, ich brauche neue Geschirrhandtücher“. Jetzt wird nicht sofort ein neues Tuch bestellt, der Assistent sucht aber im Hintergrund eine personalisierte Auswahl von den Top-3 Geschirrtüchern heraus und legt diese auf einen Merkzettel. Wenn du das nächste Mal ein Device mit Bildschirm zur Verfügung hast, wirst du über die Merkliste erinnert und kannst den Checkout über ein Screen-Device beenden. Die Customer Journey hat sich damit verkürzt.
Man könnte das den „0. Schritt“ in der Customer Journey nennen. Ich kann ad hoc und einfach – wenn ich gerade daran denke – meine Einkaufsliste füllen. Und nicht erst, wenn ich im Shopping-Modus bin.
Des Weiteren automatisieren die digitalen Helfer in Teilen auch die Kaufabwicklung. So bestellen Google Home und Co. nicht nur auf Befehl, sondern merken sich auch deine Präferenzen und können dann dank der archivierten Kaufhistorie auch selbst eine Bestellung von Low-Interest-Produkten abwickeln.
Da die Listings, Angebote und Vorschläge durch Anbieter beeinflusst werden können, gewinnen Unternehmen so zum ersten Mal direkten Zugriff und Einfluss auf die Customer Journey, insbesondere auf deren erste Etappen. Das gibt vor allem kleineren Unternehmen spannende neue Möglichkeiten, mit den größeren zu konkurrieren.
Der Kunde bleibt König
Für den Kunden wird sich in Zukunft also einiges in der Interaktion mit Unternehmen und Produkten ändern. Der Wandel steht im Zeichen der Kommunikation.
Durch den Eintritt der Unternehmen in den privaten Raum des Kunden wird mehr kommuniziert. Anbieter können so nicht nur besser personalisierte Angebote erstellen, sondern durch den Dialog auch eine bessere Beziehung mit ihrem Kunden aufbauen.
Der Kommunikationsfluss profitiert hier vor allem von den unterschiedlichen Devices, die neue Konversationskanäle öffnen und flexibel und einfach zu nutzen sind. Auf Wunsch können Kunden so jederzeit mit Anbietern kommunizieren und ihr Feedback sowie Meinungen und Erwartungen teilen. Das Unternehmen lernt dadurch den Kunden und sein Verhalten kennen und kann dementsprechend bessere Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die noch stärker auf die Wünsche des Kunden eingehen. Der wiederum hat das Gefühl, dass seine Bedürfnisse ernst genommen werden. Eine emotionale Bindung entsteht.
Schlussendlich profitiert der Kunde auch von der Automatisierung des Alltags. Schon heute können Produkte direkt bestellt, Informationen erfragt oder Einkaufslisten selbständig bearbeitet werden. Mit etlichen neuen Funktionen wird sich der On-Demand-Bereich in Zukunft stetig weiterentwickeln. Die Möglichkeiten und Effizienz der Abläufe kann man sich heute noch nicht vorstellen.
Langfristig wird Conversational Commerce die gesamte Customer Journey verändern – wir haben die Aufgabe, Chancen dieser Voice Commerce Vision wahrzunehmen.
Welche Herausforderungen bringt Conversational Commerce derzeit mit sich?
Schon heute scheint die Zukunft von digitalen Assistenten vielversprechend. Jedoch haben sie ihr volles Potenzial noch lange nicht erreicht. Das hält jedoch vor allem die US-amerikanischen Kunden nicht von der Nutzung dieser Devices ab. Nur bei uns schreitet die Entwicklung eher mühsam voran.
Obwohl in Deutschland 11 Millionen Haushalte einen Smart Speaker besitzen, werden diese bei nur zwei Prozent auch für eine Bestellung genutzt. In 90 Prozent dieser Fälle bleibt es die letzte. Hauptgrund hierfür sind vor allem Bedenken beim Datenschutz. Kunden sind beunruhigt hinsichtlich der Verwendung ihrer Daten, da momentan klare Systeme und eine transparente Kommunikation zum Thema Datenschutz fehlen.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, eine gute Basis für den Kunden zur Verfügung zu stellen. Soll das CC-System nur Kernfunktionen beinhalten oder eine Vielzahl fortgeschrittener Skills besitzen? Um die richtige Balance zu finden, müssen die Bedürfnisse des Kunden ausgiebig studiert werden. Niemand wird sich tausende Sprachbefehle merken wollen oder können. Für viele reicht der Assistent momentan als kleine Hilfe für den Alltag. Erst wenn Unternehmen ein gewisses Know-How bezüglich Verhalten und Bedürfnisse der Nutzer entwickelt haben, hat Voice Commerce auch eine Zukunft.
Wichtig ist dabei auch die kontinuierliche Verbesserung des Verständnisses von virtuellen Assistenten. Dank Machine Learning ist es zwar möglich, eine breit gefächerte Grundlage für den Nutzer zur Verfügung zu stellen. Doch dieser wird je nach Herkunft, Aussprache, Situation und weiteren Bedingungen Sprachbefehle verwenden, die der Assistent nicht erkennt. Bei Chatbots kann so z. B. schon ein falsch geschriebenes Wort eine fehlerhafte Antwort hervorrufen. Um ein frustrierendes Kundenerlebnis zu verhindern, müssen kontinuierlich Lösungen zur Verbesserung der Sprachsuche und -erkennung gefunden werden.
Das alles verlangt den Unternehmen viel ab. Prozesse und Webauftritte müssen entsprechend optimiert werden. Dazu gehören neue Online-Marketing-Strategien, Produktkataloge, Beschreibungen und mehr. Hier hinken Unternehmen weltweit noch hinterher. So sind laut dem Uberall Report 2019 aktuell nur vier Prozent der Unternehmen bereit für Voice Commerce. Größtenteils mangelt es vor allem an der Optimierung des Webauftritts und kleineren Problemen, wie z. B. fehlerhaften Öffnungszeiten. Fast die Hälfte aller geprüften Unternehmen wiesen diesbezüglich bei Google und Bing fehlerhafte Angaben auf. Problematisch für die Kunden, die höchstwahrscheinlich mit einer Kaufintention den Laden aufsuchen wollten.
Um Voice Commerce in Zukunft salonfähig zu machen, gibt es also noch viel zu tun. Erst wenn Unternehmen hier den ersten Schritt wagen und sich umfassend mit der Technologie und ihren Möglichkeiten befassen, werden Besitzer von Smart Speakern sich an die Sprachbefehle gewöhnen und sie dementsprechend zum Einkaufen nutzen.