Ändern Messenger und Chatbots die Spielregeln im Kundenservice?
Mit der Einführung von "WhatsApp Business" stellte WhatsApp – der meistgenutzte Messenger in Deutschland – eine offizielle Schnittstelle (API) zur Verfügung, die es Unternehmen ermöglicht, den Messenger für die Kundenkommunikation zu nutzen. OTTO war der erste Onlinehändler, der darüber WhatsApp im Kundenservice eingesetzt hat. Seit dem können Kund*innen Fragen rund um Bestellungen, Stornierungen oder Beratungen zu Produkten beziehungsweise Services per WhatsApp regeln.
Für viele ist der Messenger heute das Kommunikationstool Nummer 1. Doch will auch jeder darüber mit einem Unternehmen kommunizieren? Daniel Lipinski, Experte für Kundenservice bei OTTO, meint: „Kund*innen nutzen für die Kontaktaufnahme mit Unternehmen vor allem den Kanal, mit dem sie im Alltag gerne kommunizieren. Wer in der Social Media Welt zu Hause ist, wird Unternehmen bevorzugt darüber kontaktieren. Jemand, der pro Tag Dutzende Mails schreibt, wählt in der Regel diesen Weg.“ Kurzum: Kund*innen mit Messenger-Affinität nutzen diese als Kontaktkanal, andere greifen weiter lieber zum Telefon.
Eine „WhatsApp“ ist schnell geschrieben – und beantwortet
Arne Flechner ist Leiter Kundenberatung bei OTTO. Er und Teile seines Teams machen das, womit Teenager einen Großteil ihrer Freizeit verbringen – Nachrichten per Messenger und Social Media beantworten. „Die kommunikativen Spielregeln im Kundenservice sind auf diesen Kanälen schon andere als bei der E-Mail oder dem klassischen Brief“, erklärt Arne. Heißt? „Die Kommunikation erfolgt in einer Art Dialog, ähnlich wie in Chats mit Freund*innen oder Bekannten. So klären Kund*innen und Servicemitarbeiter*innen ein Anliegen schnell durch den Austausch mehrerer kurzer Nachrichten. Die Kommunikationsebene ist dabei direkter und persönlicher“, sagt Arne. Eine weitere Feststellung: Viele Kund*innen reagieren auf eine Antwort per Messenger sehr zeitnah. Die Anfragen oder Themen sind, laut Arne, aber dieselben, die auch per Telefon oder E-Mail die Servicemitarbeiter*innen erreichen.
Bei Chatbots ist Geduld gefragt
Hört man jetzt einige Zukunftsforscher*innen, dann übernehmen bald schon Bots einen Großteil der Kundenkommunikation. Aber: Die Realität sieht anders aus.
„Jeder hat beim Thema KI und Machine Learning schnell den Schachcomputer vor Augen, der so schlau ist, dass er reihenweise Schach-Profis versägt“, erklärt Björn Spielmann, Senior Projektmanager Service & Customer Experience bei OTTO, „aber das beruht letztendlich auf logischer Mathematik.“ Beim Thema Chatbots spielt Sprache eine zentrale Rolle. Dadurch wird es deutlich komplexer. Denn entgegen mancher Lobpreisung sind Chatbots keine Mozarts oder Sheldon Coopers, die sich als Hochbegabte schnell selbst alles beibringen. Sie sind eher vergleichbar mit Kleinkindern, denen man vieles geduldig erklären muss. Um besser zu werden, brauchen sie kontinuierliches Training.
Sprache ein sehr komplexes Thema
„Heute kann ein Rechtschreibfehler ausreichen, um vom Chatbot eine falsche oder sinnlose Antwort zu erhalten“, erklärt Björn. Dazu ist Sprache immer im Kontext zu sehen. So kann ein „Vielen Dank für Deine tolle Unterstützung“ als freundliche Verabschiedung oder als ironischer Ausstieg gemeint sein. Ein Mensch erkennt das, Bots heute noch nicht.
Klar, Chatbots werden bereits im Kund*innenservice eingesetzt und beantworten einfache Fragen schon recht gut. Aber bis sie wirklich komplexe Kund*innenanliegen klären können, werden Entwickler*innen, Servicemitarbeiter*innen und Redakteur*innen noch viel Zeit mit dem Trainieren der Bots verbringen.
Und dann sieht es in den Kund*innencentern so aus: „Ein guter Chatbot unterstützt, indem er simple Anliegen selbständig löst. Das entlastet die Kolleg*innen und sie können kompliziertere Kund*innenanliegen bearbeiten.“ Heißt: Ein Chatbot filtert die an sie gestellten Kund*innenanfragen vor, beantwortet entweder die Anfrage selbst oder leitet an den Service-Mitarbeiter*innen weiter. Für die Zukunft heißt es also nicht „Menschen vs. Bots“, sondern „Mensch mit Bots“.
Bildmaterial:
(jpg, 1,4 MB)