Beef mit Bushido
So war's hinter den Kulissen
Es war ein recht ruhiger Mittwochnachmittag im Sommer 2017. Doch dann kamen Bushido – und seine Kreditsperre. Auf Instagram (eine Million Follower), Twitter (noch ‘ne Million) und Facebook (zwei Millionen Follower) postet er ein Bild von einem Brief von OTTO. „Wegen interner Bestimmungen ist es uns nicht möglich, Ihre bestellte Ware zu liefern“, heißt es da. Bushidos Kundenkonto ist gesperrt.
Wenige Minuten dauert es, bis die Hassposts des Gangsta-Rappers tausend Likes, Kommentare und Shares gesammelt haben. Ein Shitstorm im eigentlichen Sinn ist das nicht. Aber das Auge des Netzes richtet sich eben doch, Popcorn mampfend, plötzlich auf den Rapper und sein neuestes Opfer - ein Social-Media-Notfall.
Total sensationell ist das nicht: Bushido pöbelt relativ regelmäßig gegen Unternehmen und Institutionen, die in irgendeiner Weise sein Missfallen auf sich gezogen haben. Er ruft medienwirksam zum Boykott auf und hetzt seine Fans auf die jeweiligen Facebookseiten. Die Telekom hat es schon getroffen, die Müller-Drogeriekette oder die Grimme-Preis-Jury. Airberlin auch, mehrmals sogar. Heute gibt es Airberlin nicht mehr. Nunja …
Der Bushido-Krisenstab tagt
An diesem unspektakulären Mittwoch bin ich der Trottel, der ans Telefon geht. „Also es ist so … Bushido hat was gepostet, über uns“, erzählt der Leiter des OTTO-Kundencenters in Magdeburg am Telefon. Sein Team ist unter anderem für Kundenservice bei Twitter und Facebook zuständig. Ein Schmunzeln in seiner Stimme ist irgendwie unüberhörbar. Social-Media-Alarm!
Bei OTTO gibt es wie bei vielen anderen Unternehmen für solche Fälle Social-Media-Standardprozesse. Und so trifft sich ein paar Minuten nach dem Post der Bushido-Krisenstab, nicht ohne eine gewisse, irgendwie skurrile Dramatik. An einem ovalen Tisch unter bürohaftem Neonlicht sitzen die Experten zusammen: Kundenservice, Social Media, PR, Kredit. Die erste und wichtigste Frage: Was ist eigentlich passiert?
„Die Systeme haben bei der Bestellung automatisch Alarm geschlagen und das Konto gesperrt“, berichtet die Kreditexpertin im Situation Room. „Verdacht auf Bestellbetrug.“ Bushidos bürgerlicher Name und seine Adresse sind im Netz leicht zu finden. Ein paar Gangstas haben schon vor einigen Monaten versucht, mit seinem Namen Produkte an eine fremde Adresse liefern zu lassen. Und dann nicht bezahlt. Eine bekannte Masche. Am Ende bliebe das Unternehmen auf seinen Rechnungen sitzen und die echte Person hätte eine Menge polizeilichen Nervkram - wenn die Betrugsmasche denn Erfolg hätte. Deshalb ist der Sicherheitsalgorithmus bei Bushidos bürgerlichem Namen erstmal misstrauisch, selbst wenn die Bestellung authentisch ist.
„Und wie reagieren wir jetzt auf das Bashing?“, fragt sich die Runde, während der Insta-Post seinen zehntausendsten Like sammelt.
Es gibt wohl nicht den einen richtigen Weg, mit einem Anfall von Bushido umzugehen. Man kann sich hektisch und panisch für irgendwas entschuldigen, klar. Aber eigentlich hat ja niemand etwas falsch gemacht. Oder man ist bockig und mahnt: „Der Ton macht die Musik“ (sollte Bushido als mehrfacher Echo-Gewinner ja wissen – obwohl … mit dem Echo ist das ja auch so’ne Sache). Oder man nutzt die Gunst der Stunde und macht sich mit einer spitzen Antwort einen Riesenspaß aus der Geschichte. Das funktioniert aber nur, wenn irgendein schlagfertiger Social-Media-Mensch wie bei Dr. Oetker im richtigen Moment zufällig genau das Richtige raushaut, unabgestimmt und ohne die berechtigten Perspektiven aller anderen gegeneinander abzuwägen. Aber selbst wenn der brillante Einfall kommt: "Warum sollte man sich über Bushidos Problem lustig machen, nur weil er Bushido ist und sich quasi berufsmäßig im Ton vergreift?", werfen die Service-Experten ein. Jeder andere Kunde würde ja auch eine anständige Antwort bekommen, selbst wenn er pöbelt.
Chat mit Bushido
Der Krisenstab im kargen Situation Room einigt sich auf eine Kompromissantwort: ein kleiner Zwinkerer, aber kein ironischer Frontalangriff. Kein Wegducken, aber ein ehrliches Angebot, wie es jeder Kunde bekommt: „Klärung des Falls? Gerne per Privatnachricht.“
Es dauert keine drei Minuten, bis die Posts abgesetzt sind und vorerst Ruhe einkehrt: Fall gelöst?
In der Nacht auf Donnerstag surrt das Smartphone. Direktnachricht bei Twitter. Von Bushido. Wie jedem anderen steht es auch Bushido an dieser Stelle zu, dass der Inhalt seines Chats unter uns bleibt. Er will aber, und das ist ja erstmal sehr nachvollziehbar, dass sein Problem gelöst wird.
Noch am Morgen kursieren die ersten aufgeregten Mails über den Notfallverteiler; und das Bushido-Team trifft sich erneut. Ganz ehrlich: So richtig hatten wir nicht damit gerechnet, dass es nach dem #bastardverein noch um die Lösung irgendeines echten Problems geht. Ist aber so. Wir formulieren eine Antwort, mit ausführlicheren Hintergründen und Lösungsvorschlägen. „Hallo Bushido“ - klingt irgendwie dämlich, aber was soll's. „Für mögliche zukünftige Bestellungen“, schlagen wir prominenten Kunden immer vor, können wir einen "Code-Vornamen" vergeben, der uns dabei hilft, eine Identität zweifelsfrei festzustellen.
Klick.
Senden.
Fertig?
Plötzlich: drei kleine Punkte. Irgendwo sitzt das Aggro-Berlin-Gründungsmitglied in diesem Moment und tippt eine Nachricht. Die Runde hält den Atem an. Wird er pöbeln? Drohen? Was denkt er? Was will er? Knapp drei Minuten zeigt Twitter das „schreibt gerade“-Icon. Gespannte Stille. Cliffhanger.
Okay, Cliffhanger, das wäre jetzt fies. Nur so viel sei verraten: Bushidos Problem ist mittlerweile gelöst. Wie es eigentlich bei jedem anderen Kunden sein soll. Seinen Post hat er trotzdem nicht gelöscht, verändert oder korrigiert. Natürlich nicht. Er ist ja 'n Gangsta.