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Kompostierbare Versandtüten: „Komplexer als gedacht“
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Kompostierbare Versandtüten: „Komplexer als gedacht“

OTTO-Bestellungen in kompostierbaren Versandtüten ab 2024

Autor Ingo Bertram Lesedauer: 4 Minuten
Gemeinsam mit dem Hamburger Start-up traceless entwickelt OTTO eine Versandtasche, die zu hundert Prozent aus pflanzlichem Material besteht und vollständig kompostiert werden kann. Ein neuer Prototyp wurde fertiggestellt, erste Vorabtests liefen vielversprechend, ein großer Livetest aber wurde verschoben. Weshalb es bis zur Marktreife noch dauert und warum ausgerechnet ein Klebstoff für Verspätung sorgt, verraten OTTO-Verpackungsexpertin Karla Jabben und Anne Lamp, Mitgründerin von traceless

Karla, als Verpackungsexpertin im OTTO-Nachhaltigkeitsteam steuerst Du die Kooperation mit traceless. Wie ist der aktuelle Stand?

Karla Jabben: Wir kommen voran, aber die Entwicklung ist komplexer als gedacht. Eigentlich sollte schon vor einigen Wochen ein größerer Pilottest starten – mit einer Tüte, die aus einem Verbundmaterial aus traceless und Graspapier besteht. Bei einem internen Vorabtest, den wir bei solchen Projekten immer durchführen, sind dann aber unerwartet Schwierigkeiten aufgetreten. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, den Livetest zu verschieben und mehr Zeit in die Entwicklung zu stecken.

Anne Lamp: Wir bei traceless haben ja das pflanzenbasierte Material der Beschichtung entwickelt, damit ist es aber noch nicht getan – auch das Beschichten, Konfektionieren, Bedrucken, Falten und Verkleben muss gelöst werden. Unser Anspruch ist es, dass Firmen unser Material auf bereits existierende Maschinen verwenden können. Das funktioniert – aber natürlich nicht auf Anhieb, denn die Maschinen sind jahrzehntelang auf konventionelle Kunststoffe optimiert worden. Außerdem wollen wir sichergehen, dass wirklich alle Verarbeitungsschritte nachhaltig sind. Für die Bedruckung haben wir eine umweltfreundliche Lösung gefunden, auch das Falten hat geklappt, erst im allerletzten Schritt wurde es knifflig: bei der letzten Klebestelle. Dieser Schritt war beim letzten Prototyp noch nicht ganz serienreif. Dass wir deshalb noch nicht in die Testphase gehen konnten, ist natürlich eine Enttäuschung.

Neuer Prototyp in Entwickung

Das klingt frustrierend.

Anne: Ja und nein, denn für mich ist die Schwierigkeit ja gleichzeitig das Spannende: Wir leisten mit diesem Projekt gemeinsame Pionierarbeit und entwickeln nicht nur eine Versandtüte, sondern eine ganz neue Art plastikfreier, pflanzenbasierter Materialien. Als unser allererster Partner war OTTO von Anfang an bei dieser aufregenden Reise dabei. Bei unseren ersten Treffen haben wir unsere Materialien noch im Labor produziert – mittlerweile ist ein dreißig-köpfiges Team an Bord; unsere Pilotanlage in Betrieb. Der Kern von traceless ist ja ein von uns entwickeltes Verfahren, mit dem wir aus Pflanzenresten das traceless-Granulat herstellen. Parallel arbeiten wir daran, das Material für verschiedene Anwendungen zu optimieren – die Versandtüte ist eine davon.

Was sind mögliche Lösungsansätze?

Karla: Bei der Verklebung haben wir einen umweltfreundlichen Weg gefunden, das traceless-Material zu verbinden – rein durch Hitze, ganz ohne kunststoffhaltige Kleber. Leider gab es auf der Fertigungsanlage des Partners keine einfache Möglichkeit, die Technik dafür zu integrieren. Auch für eine normale Verklebung hätte die Anlage aufgerüstet werden müssen.

Anne: Schon zu Beginn haben wir mit OTTO ja über eine Tüte nur aus Folie nachgedacht, damals waren wir nur noch nicht so weit, in Serie zu gehen. Mittlerweile hat sich bei uns aber einiges getan. Dadurch können wir jetzt an der Idee der Folientüte weiterarbeiten – eine Option, die wir sehr spannend finden, denn so hätten wir eine Tüte rein aus traceless-Material. Außerdem bestehen die aktuellen Versandtüten bereits aus Folie und die Anlagentechnik ist darauf ausgelegt.

Kooperation wird fortgesetzt

Wie geht es nun weiter?

Anne: Gemeinsam mit Partnern werden wir nun die Folienherstellung in verschiedenen Maßstäben testen und das traceless-Material schrittweise optimieren, inklusive der Weiterverarbeitung zur Tüte. Parallel bleibt auch die Variante des aktuellen Prototypen aus beschichtetem Papier eine Option, die wir im Blick behalten. Somit verfolgen wir verschiedene Lösungswege gleichzeitig, was bei hochinnovativen Projekten immer ein strategischer Vorteil ist. Es bleibt also eine spannende Zusammenarbeit, mit allem, was zu einer Pionierreise dazugehört: neues Terrain, spannende Versuche und viel Potential für innovative Lösungen!

Die grundsätzliche Zusammenarbeit von traceless und OTTO steht nicht zur Debatte?

Karla: Nein. Denn wir glauben weiterhin fest an traceless und daran, dass wir künftig Verpackungen aus heimkompostierbaren und biologisch abbaubaren Materialien herstellen können. Insofern arbeiten wir weiterhin eng zusammen.

Ist absehbar, wann traceless-Versandtaschen bei OTTO in den Einsatz gehen? Oder zumindest, wann ein neuer Test stattfinden wird?

Anne: Wir wollen 2024 testbereit sein. Die kommenden Monate sind für uns eine spannende Zeit, denn das OTTO-Projekt ist Teil unserer Technologieskalierung. Wir planen aktuell eine größere Anlage für unsere Materialproduktion. Diese ermöglicht uns langfristig, dann auch wirklich große Mengen pflanzlicher Reststoffe zu verarbeiten und daraus unser traceless-Material zu produzieren.

Die Kooperation mit traceless ist bei OTTO nur eine Initiative, um Versandverpackungen nachhaltiger zu machen. Auch mit WILDPLASTIC arbeitet ihr zusammen. Wie läuft es da?

Karla: Gut! Schon jetzt besteht jede dritte OTTO-Versandtüte aus WILDPLASTIC-Material und der Anteil steigt monatlich. Spätestens im Frühsommer werden wir bei fünfzig Prozent liegen und stellen weiter um. Parallel dazu konnten wir seit Start der Zusammenarbeit auch die Lieferketten stabilisieren, dadurch retten wir kontinuierlich mehr Plastik aus der Umwelt. Die Kooperation wollen wir weiter ausbauen und womöglich auch auf weitere Produkte ausdehnen.

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