Weltblutspendetag: „Das Blutspendeverbot für Homosexuelle ist überholt“
Homo-, bi- und transsexuelle Männer dürfen in Deutschland de facto kein Blut spenden
Moin Sven, du bist treibende Kraft hinter einer Initiative, in der sich Unternehmen seit letztem Jahr für eine Novellierung der Blutspenderichtlinien einsetzen. Wie kam es dazu?
SVEN LIEBERT: Die derzeitige Ausgestaltung der Richtlinie Hämotherapie ist für viele Menschen in Deutschland diskriminierend und passt nicht zu einem zukunftsgewandten und inklusiven Staat – zu einer bunten Gesellschaft schon gar nicht. Es gab im Deutschen Bundestag bereits Anträge, die die Umsetzung der Richtlinie ändern wollten, jedoch rückte die Anpassung immer weiter in die Ferne. Uns war klar, so kann es nicht bleiben. Unternehmen müssen sich klar positionieren, wenn ihre eigenen Mitarbeiter_innen diskriminiert werden. Gemeinsam mit der Stiftung Prout at Work setzen wir beim Thema Blutspende alles daran, die Diskriminierung durch diese Richtlinie immer wieder zu thematisieren. Ich selber habe mich schon immer politisch engagiert und da kam meine Mitgliedschaft in unserem Mitarbeiter*innen-Netzwerk METRO Pride genau recht, um dieses Thema auch beruflich anzugehen.
Es gab im Deutschen Bundestag bereits Anträge, die die Umsetzung der Richtlinie ändern wollten, jedoch rückte die Anpassung immer weiter in die Ferne
Warum ist METRO dieses Thema wichtig?
SVEN: METRO hat seit Ewigkeiten Blutspenden am Campus in Düsseldorf angeboten. Leider gab es den Fall, dass sich ein Mitarbeiter durch die derzeitige Blutspenderegelung diskriminiert fühlte – zurecht. Männer, die Sex mit Männern haben, dürfen laut der Richtlinie erst nach 12 Monaten sexueller Enthaltsamkeit Blut spenden. Da wurde uns noch einmal deutlich, dass es nicht nur ein klares gesellschaftspolitisches Thema ist, sondern auch ein Unternehmensthema. Es betrifft nämlich unsere Mitarbeitenden.
Ihr hab schnell weitere Unternehmen für die Initiative gewinnen können, darunter die Deutsche Bahn, IKEA, ThyssenKrupp und auch OTTO. Was waren die Beweggründe?
INGO BERTRAM: OTTO setzt sich nicht nur intern, sondern auch darüber hinaus für Vielfalt und für eine faire, offene Gesellschaft ein. Eine Blutspenderichtlinie, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität pauschal vorverurteilt und diskriminiert, passt nicht zu diesen Werten. Als uns METRO und die PROUT AT WORK Foundation um Unterstützung anfragten, haben wir deshalb keine Sekunde gezögert.
Sven, habt ihr mit so viel Unterstützung gerechnet?
SVEN: Wir machen die Erfahrung, dass Unternehmen mehr und mehr Haltung zeigen und ihre gesellschaftspolitische Verantwortung vermehrt und direkter wahrnehmen. Für einige dieser Firmen arbeiten tausende Mitarbeiter*innen in Deutschland, sodass ihnen der Rechtsrahmen und die Lebensrealität dieser Menschen gar nicht egal sein darf. Darüber hinaus frage ich mich, wie Deutschland riskieren kann, politisch den Anschluss an die bunte Gesellschaft zu verpassen, in der wir leben. Das beschäftigt auch viele Unternehmen.
Sich für neue Blutspenderichtlinien einzusetzen ist löblich, macht ein Unternehmen aber längst noch nicht LGBTIQ*-freundlich. Wie ernst ist euer Engagement?
INGO: Klar, weder eine einzelne Initiative noch das Hissen einer Regenbogenflagge macht ein Unternehmen gayfriendly. In Summe gesehen aber sind es auch solche Aktionen, und davon
möglichst viele, die es braucht, damit sich wirklich etwas ändert. Bei OTTO haben wir unter anderem genderneutrale WC-Anlagen eingeführt, wir forcieren mehr Diversität in Kampagnen und vertreten über MORE* queere Interessen auch auf Vorstandsebene. Das finde ich schon sehr ernst.
Eine Blutspenderichtlinie, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität pauschal vorverurteilt und diskriminiert, passt nicht zu unseren Werten
SVEN: METRO ist beispielsweise Mitzeichner der Initiative „Grundgesetz für Alle!“, die sich dafür einsetzt, Artikel 3 des Grundgesetzes um ein Diskriminierungsverbot zum Schutz von sexueller und geschlechtlicher Identität zu erweitern. Hinter allem steht bei uns die Überzeugung, dass sexuelle Orientierung, geschlechtliche Identität oder der geschlechtliche Ausdruck am Arbeitsplatz keine Rolle mehr spielen darf. Unternehmen sind nur dann wirklich kreativ und innovativ, wenn alle Menschen ihr volles Potential entfalten können. METRO Pride ist bei uns die zentrale Anlaufstelle für alle LGBTIQ*-Kolleg*innen, interner Think-Tank und treibt das Thema auch international voran, organisiert Führungskräftetrainings oder auch Schulungen in den Märkten.
Letztlich blieb die Initiative im vergangenen Jahr erfolglos. Wird es eine Neuauflage geben?
SVEN: Erfolglos würde ich nicht sagen. Es wird vermehrt über die diskriminierende Richtlinie berichtet – gerade in überregionalen Medien. Nun gilt es den Druck auf das Bundesgesundheitsministerium und die beteiligten Behörden hochzuhalten und auch den Gesundheitsminister immer wieder daran zu erinnern, dass er hier eine Lösung finden wollte. Wir bleiben dran.
INGO: … und wir werden weiter unterstützen. Je mehr Unternehmen bei solchen Themen zusammenarbeiten und Kräfte bündeln, desto größer die Chance, dass sich Dinge wirklich ändern. Die Novellierung einer Blutspenderichtlinie mag unbedeutend klingen. Tatsächlich ist sie ein weiterer Schritt zu voller Gleichberechtigung. Das ist unser klares Ziel. Das aktuell geltende De-Facto-Verbot ist überholt.