Outing im Office: Sprichst du drüber, oder nicht?
Am „Coming Out Day“ sprechen wir über Diskriminierung von LGBTIQ-Menschen am Arbeitsplatz, aber auch über eine große Offenheit in vielen Branchen
Schon seit 1988 wird am 11. Oktober der „Coming out Day” gefeiert. An diesem Tag geht es darum, den sichtbaren Schritt des Coming-out-Prozesses zu zeigen und jenen, die sich noch im Prozess des outings befinden, Mut zu machen. Eines vorab: Die Zahl derjenigen, die mit niemandem darüber sprechen, dass sie homosexuell sind, sank in 2017. Doch bei transgeschlechtlichen Beschäftigten ist ein Coming Out am Arbeitsplatz deutlich seltener.
Die Zahl derjenigen, die bei dem Thema offen mit allen am Arbeitsplatz kommunizieren, verdoppelt sich dazu. „Seitdem ich denken kann, weiß ich, dass ich bi-sexuell bin und habe das auch offen gelebt. Diskriminiert wurde ich nie und habe auch noch keine negativen Erfahrungen sammeln müssen. Weder als Teenager noch als Erwachsene. In jedem Vorstellungsgespräch habe ich das Thema offen platziert. Denn für mich persönlich würde es eine Qual sein, nicht offen sprechen zu können und nicht einfach ich sein zu dürfen“, so erzählt es Katja Narjes, Direktionsassistentin bei OTTO.
Diskriminierung findet statt
Katja ist ein Beispiel dafür, wie offen manche Menschen mit ihrer Orientierung umgehen können. Doch nicht alle sind so stark, ehrlich, direkt und offen. Laut einer Statistik der Antidiskriminierungsstelle haben drei Viertel, also 76,3 Prozent der Beschäftigten Diskriminierung in mindestens einer Form am Arbeitsplatz erlebt – am häufigsten voyeuristisch-gesteigerte Auseinandersetzungen.
Outing am Arbeitsplatz
Prof. Dr. Dominic Frohn, Professor für Wirtschaftspsychologie und wissenschaftlicher Leiter des „Ida“, Institut für Diversity- und Antidiskriminierungsforschung, brachte schon 2007 die Studie „Out im Office“ heraus. Aus seiner Studie von 2018 erkennt man, dass wissenschaftlich gesehen, ein offener Umgang am Arbeitsplatz mit einer höheren Arbeitszufriedenheit assoziiert wird. Heißt also: Offenheit in der sexuellen Orientierung äußert sich positiv auf die Arbeit. Schließlich spielen im beruflichen Alltag Aspekte des Privatlebens eine Rolle. Malte Döring, HR-Specialist bei OTTO, will sein privates Leben nicht verheimlichen: „Als ich hier vor zweieinhalb Jahren bei OTTO angefangen habe, wollte ich meine Homosexualität nicht verheimlichen, ich habe mich aber auch nicht auf einen Tisch gestellt und die Regenbogenfahne geschwungen. Man spricht dann in der Mittagszeit auch private Themen an und ich bin zu dem Zeitpunkt umgezogen und dann redet man halt darüber, ob man mit jemandem zusammenzieht. Ich war da ganz offen.” Diese Offenheit führt zu einer höheren Verbundenheit und zu mehr freien Ressourcen, weil Mitarbeiter*innen sich weniger Gedanken über ihr Outing als über ihre Tätigkeiten machen müssen.
Schwere Zeiten für die Führung
Es scheint allerdings noch eine Gruppe im Unternehmen zu geben, die ihre sexuelle Identität nicht offen kommunizieren: Studien zeigen, dass Personen im oberen Management mit ihrer sexuellen Orientierung seltener offen umgehen. „Ein Outing sollte eigentlich nichts mit Hierarchiestufen zu tun haben, sondern mit seiner eigenen Einstellung und Klarheit gegenüber sich selbst“, so erklärt es Katja Narjes. Es gibt allerdings viele Menschen, die solch ein Outing belastet, die nicht so einfach und locker damit umgehen können. „Ich selbst kenne auch Freund*innen, die im Handwerk arbeiten, bei der Polizei oder Feuerwehr. Die achten sehr darauf, dass es nur die engsten Kolleg*innen wissen, weil sie in sehr männerdominierten Berufen arbeiten. Viele denken, dass ihre Homosexualität als Schwäche ausgelegt werden könnte“, erzählt es Malte. Auch Berufsanfänger haben es laut einer Studie von Boston Consulting nicht eilig, sich am Arbeitsplatz zu outen
Was hilft
Unternehmen, die ein LGBTIQ-Netzwerk besitzen, helfen beim Coming out am Arbeitsplatz, sie sensibilisieren im Unternehmen für das Thema, sind Ansprechpartner*in bei Problemen oder Diskriminierung. Klar ist: 72 Prozent der Boston-Consulting-Befragten wollen eher einen Job bei einem Unternehmen, das sich aktiv für die Belange der LGBTIQ-Gemeinschaft einsetzt. So suchen sich LGBT-Talente bei der Wahl des Arbeitgebers vor allem eine LGBTIQ-freundliche Unternehmenskultur. Katja hat für die Zukunft des LGBTIQ-Netzwerkes MORE* der Otto Group nur einen Wunsch: „Ich engagiere mich, weil ich möchte, dass jede*r so frei und unbeschwert mit seiner sexuellen Orientierung leben kann, wie ich es tue. Das ist mein Herzenswunsch“. Und Malte? Aus seiner Sicht ist OTTO weit gekommen, offen und „ziemlich gut aufgestellt, was LGBTIQ angeht. Das Netzwerk MORE* führt nun dazu, dass noch mehr Themen offen diskutiert werden und die ganze Belegschaft abgeholt wird. Es ist ein Netzwerk für uns alle. Ich wünsche mir das vor allem noch mehr heterosexuelle Menschen, die mit uns die Vielfalt vorantreiben.“