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So viel „New Work“ steckt in Deutschlands Unternehmen
Kultur

So viel „New Work“ steckt in Deutschlands Unternehmen

Flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien, moderne Arbeitsplätze – Wie ist der Status Quo in Sachen „New Work“ und welche Branchen sind fit für die neue Arbeitswelt?

Autorin Linda Gondorf Lesedauer: 7 Minuten
Viele Unternehmen brüsten sich mit Benefits, die nach „New Work“ klingen und eine moderne Unternehmensorganisation signalisieren. Schaut man aber genauer hin, wird klar: Der New-Work-Ansatz ist in der Wirtschaftswelt noch nicht so weit angekommen, wie der Hype nahelegt. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen. Wir haben einige Zahlen und Fakten gesammelt.

Die Faktoren von New Work

Wann genau kann man nun von einer erfolgreichen Umsetzung von New Work sprechen? In den verschiedenen Ansätzen, die der Sammelbegriff umfasst, tauchen einige Grundfaktoren immer wieder auf, die das „neue Arbeiten“ definieren.

Zentral ist das Thema Flexibilität: Wie viele Freiheiten werden den Mitarbeitern zur Organisation ihres Arbeitsalltags eingeräumt? Home-Office, flexible Arbeitsplätze und Kinderbetreuung sollen bei der Einteilung von Arbeits- und Familienleben beziehungsweise Freizeit unterstützen, ebenso wie flexible Arbeitsplätze, die an aktuelle Situationen und Mitarbeiter-Bedürfnisse angepasst werden können. Flache Hierarchien stellen sicher, dass lange Entscheidungsprozesse vermieden werden. Sie verschaffen jedem Mitarbeiter mehr Eigenverantwortung und die Möglichkeit, sich proaktiv einzubringen. Um Proaktivität und Flexibilität geht es auch beim Konzept der Agilität: Strukturen und Prozesse werden so gestaltet, dass sie auf unvorhergesehene Ereignisse oder neue Anforderungen angepasst werden können. Eine wichtige Voraussetzung für die neue Art zu arbeiten ist die Digitalisierung: Sie ermöglicht automatisierte Prozesse, die die Mitarbeiter von Routineaufgaben befreien und neue Kommunikationswege für teamübergreifendes und transparentes Arbeiten schaffen.

„New Work“: Wo steht Deutschland? Der große Branchenvergleich

Wir haben uns vier New-Work-Faktoren und deren Anwendung in verschiedenen Branchen näher angesehen. Wo wird bereits mit neuen Ansätzen gearbeitet und welche Branchen werden noch immer von „alten“ Arbeitsstrukturen dominiert?

Flexibilität und Work-Life-Balance

Flexible Arbeitszeiten und eine ausgewogene Work-Life-Balance werden häufig direkt mit dem Begriff „New Work“ verknüpft. Das Arbeitgeber-Vergleichsportal kununu hat untersucht, in welchen Branchen entsprechende Benefits wie Home-Office, flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung am häufigsten angeboten werden.

Arbeitgeber wie Versicherungsunternehmen und Banken, die häufig als starr und wenig progressiv wahrgenommen werden, punkten mit Benefits zugunsten der Mitarbeiterflexibilität: Mit einem Anteil von 17,16 Prozent hebt sich die Versicherungsbranche deutlich hervor. Besonders wenig Angebote gibt es im Automobilsektor (6,65 Prozent), in der Telekommunikationsbranche (4,77 Prozent) und im Handel/Konsum (3,54 Prozent).

Flache Hierarchien vs. lange „top-down“ Prozesse

Alte Unternehmensmodelle zeichnen sich durch starre Strukturen mit langen „top-down“ Entscheidungswegen aus – diese sollen nach New-Work-Ansatz aufgebrochen werden. Flache Hierarchien verkürzen Entscheidungswege und zielen auf die Eigeninitiative der Mitarbeiter ab. Im Rahmen des „Leadership Survey 2018“ von Kienbaum & StepStone wurden 15.300 Fach- und Führungskräfte unter anderem gefragt, wie hierarchisch sie die Organisationsstruktur in ihrem Unternehmen einschätzen.

In der vergleichsweise jungen Branche IT und Internet nehmen Fach- und Führungskräfte die Hierarchien am flachsten wahr – mit 2,45 Punkten, wobei maximal 4 Punkte vergeben werden konnten. Traditionell geht es bei den Banken zu: Die Branche bildet mit 1,82 Punkten das Schlusslicht.

Agilität – Proaktives statt reaktives Handeln

Agilität wird heute als eines der wichtigsten Ziele im Projektmanagement betrachtet. Gemeint ist, dass Unternehmen ihre Strukturen und Prozesse so flexibel gestalten, dass sie schnell angepasst werden können. Bei der Umsetzung scheint es allerdings zu hapern: Wie das „Agilitätsbarometer“ von Haufe in Zusammenarbeit mit Promerit zeigt, werden agile Arbeitsweisen insbesondere von Mitarbeitern kaum eingesetzt (zehn Prozent).

Aber wie sieht es bei den Vorgesetzten aus? In einer Studie des Beratungsunternehmens Korn/Ferry wurden Führungskräfte anhand ihrer Lernagilität eingestuft – die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen und das Erlernte in neuen Situationen anzuwenden.

In Sachen Lernagilität gibt es eine geringe Streuung unter den Branchen – am „agilsten“ sind jedoch Führungskräfte aus der Pharma-Industrie, gefolgt von Technologie und Handel. Bei Führungskräften aus der Automobilbranche fällt die Lernagilität am geringsten aus.

Digitalisierung

Wer zukunftsfähig sein möchte, muss digital denken – daran besteht angesichts der rasend schnellen Entwicklung in allen Sektoren kein Zweifel. Laut einer Studie von TCS und Bitkom verfolgen 76 Prozent der Unternehmen eigenen Angaben zufolge eine klare Digitalstrategie; 75 Prozent geben an, offen für die Digitalisierung zu sein. Aber inwiefern ist die Digitalisierung tatsächlich in der Unternehmensstrategie verankert? Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Branchen.

In IT- und Kommunikationsunternehmen ist die Digitalisierung am häufigsten strategisch verankert (89 Prozent), gefolgt von Chemie und Pharma sowie Maschinen- und Anlagenbau (82 Prozent). Auf dem letzten Platz befindet sich die Automobilindustrie mit nur 72 Prozent.

Fazit: Es gibt eine Menge aufzuholen

Die Werte der New-Work-Bewegung sind längst nicht in allen Branchen gleichermaßen angekommen. Generell haben deutsche Unternehmen noch einen langen Weg vor sich, um eine durch Handlungsfreiheit, Selbstbestimmung und Entfaltungsmöglichkeiten geprägte Arbeitswelt zu schaffen.

In Sachen Digitalisierung sind deutsche Unternehmen aktuell am besten aufgestellt. Angesichts der schnellen technologischen Entwicklung und deren Auswirkungen auf die Wirtschaftswelt ist es trotzdem erstaunlich, dass die Digitalisierung bei vielen Unternehmen noch nicht strategisch verankert ist – in der Automobilbranche sind das sogar 28 Prozent. Auch beim Thema Agilität von Führungskräften bildet diese Branche das Schlusslicht.

Interessant: Die als jung und fortschrittlich geltende Kommunikationsbranche ist in punkto New Work nicht in allen Kategorien weit vorne. Zwar findet man hier flache Hierarchien und einen hohen Digitalisierungsgrad, bei Angeboten, die flexibles Arbeiten ermöglichen, befindet sich die IT- und Internetbranche allerdings nur im Mittelfeld.

Die komplette Infografik findet ihr hier zum Download:

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