„Ich fühle mich nicht eindeutig als Mann oder Frau."
Katja ist bei OTTO Referentin mit dem Schwerpunkt Customer Centricity, gehört seit der ersten Minute zum LGBTIQ*-Netzwerk MORE* und bezeichnet sich selbst als divers
Moin Katja, „Nicht-Binarität“, was bedeutet das überhaupt?
KATJA NARJES: Kurz gesagt bedeutet es, dass jemand sich nicht eindeutig als Frau oder Mann sieht. Die eigene Geschlechtsidentität liegt dann irgendwo dazwischen, ganz außerhalb dessen oder du identifizierst dich gleichermaßen mit beiden Geschlechterrollen.
Was bedeutet es für dich nicht-binär zu sein?
Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch nie konkrete Gedanken gemacht, da es für mich in erster Linie keinen Unterschied macht. Ich lebe mein Leben, ohne darüber nachzudenken und lebe es genauso, wie es sich für mich in dem Moment richtig anfühlt. Ich bin ich und fühle mich einfach gut damit. Das Wichtigste ist doch, dass du dich selbst liebst und dann kannst du alle anderen lieben – das haben mir meine Eltern so beigebracht. In der Tat ist es aber so, dass ich zwar optisch weiblich wirke und so gelesen werde, im Inneren mich jedoch eher als Mann identifiziere. Die meisten gehen davon aus, nur weil ich Lippenstifte liebe und gerne Kleider trage, dass ich auch stundenlang darüber sprechen möchte (lacht) – die bin ich aber definitiv nicht. Ich fühle mich wohler in Männerrunden, weil ich mich einfach mehr mit ihnen identifizieren kann. Schon als kleines Mädchen war das so. Ich begreife mich als biologische Frau, das streite ich nicht ab, aber ich identifiziere mich eben als Frau und Mann. Ich liebe beides an mir und lebe eben auch beide Seiten aus.
Seit einiger Zeit setzen viele Menschen ihre Pronomen in ihre Profile, als Zeichen der Solidarität gegenüber allen, die sich keinem der binären Geschlechter zuordnen. Wie stehst du dazu?
Ich finde es sehr wichtig, dass nicht-binäre Menschen offen sagen dürfen, wie sie angesprochen werden möchten. Deutlich und klar zu sich selbst zu stehen und dafür einzustehen ist sicherlich das beste Rezept, um auch im Umfeld Unsicherheiten zu nehmen. Ich für meinen Teil kann feststellen, dass es mir egal ist, wie ich angesprochen werde. Natürlich kreuze ich bei einer Auswahlmöglichkeit von „männlich“ oder „weiblich“ das Zweite an, aber nur, weil die Gesellschaft dies von mir erwartet und sonst maximal irritiert wäre. Habe ich die Möglichkeit „divers“ anzukreuzen, dann würde ich dies immer bevorzugen. Daher finde ich es irgendwo schade, dass wir erst diesen Zwischenschritt mit dem Zusatz der Pronomen brauchen. Letztendlich wollen wir doch dahin kommen, dass Pronomen gar keine Rolle mehr spielen. Dennoch, Solidarität, Wertschätzung und Anerkennung sind genau richtig. Für mich am schönsten ist jedoch, bei meinem Vornamen angesprochen zu werden, denn ich bin einfach Katja – weder sie noch er oder eines der anderen Pronomen.
Warum ist es denn so wichtig, non-binäre Menschen in unsere Sprache einzubeziehen?
Weil alle das Recht auf eine Stimme haben und in der Sprache berücksichtigt werden sollten. Und genau deswegen bin ich auch Teil der Projektgruppe für gendergerechte Sprache bei OTTO geworden. Niemand sollte sich benachteiligt fühlen und Sprache ist ein so simples Tool, um alle einzubeziehen. Es bedarf nur ein wenig Übung, die gar nicht so schwer, aber doch sehr bedeutsam ist. Das ist übrigens auch meine Motivation für die Arbeit bei MORE*. Zu zeigen, alle können frei und losgelöst von diesen gesellschaftlichen Zwängen und Schubladen leben.
Natürlich kreuze ich bei einer Auswahlmöglichkeit von „männlich“ oder „weiblich“ das Zweite an, aber nur, weil die Gesellschaft dies von mir erwartet und sonst maximal irritiert wäre
Was sind absolute No-Gos für dich?
Menschen, die alles ablehnen, ohne sich damit ausreichend beschäftigt zu haben und nur auf Halbwissen argumentieren. Es ist für mich völlig legitim, wenn jemand sagt, sie*er möchte nicht die genderneutrale Sprache umsetzen – dazu haben alle das Recht. Mir geht es jedoch um die Art und Weise wie dies begründet wird. Letztlich macht der Ton die Musik. Ein respektvolles Miteinander ist das A und O.
Nicht-Binarität wirft bei Außenstehenden oft Aussagen auf wie „Das ist doch nur Show!“ oder „Die Person ist doch einfach nur verwirrt…“. Hast du dafür Verständnis?
(Lacht) Wenn sie sich nicht über die Nicht-Binarität echauffieren können, dann ist es die Figur, die Pickel oder die Haarfarbe. Ich habe aufgehört Verständnis für urteilende Außenstehende zu haben, als ich gemobbt wurde, weil ich eine Einser-Schülerin war.
Wie nimmst du den Umgang in der Otto Group mit dem Thema der Nicht-Binarität wahr?
Großartig! Da ich die Thematik aktiv unterstütze und mit nach vorne treibe, bin ich wirklich positiv begeistert. Kolleg*innen sind neugierig, beschäftigen sich aktiv mit dem Thema, um zu verstehen, da sie im Alltag selbst wenig Berührungspunkte damit haben. Allerdings haben wir systemseitig noch einige Schwachstellen, aber auch dafür werden wir Lösungen finden.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Zwei Sachen: Erstens, dass alle die Person sein dürfen, die sie sein möchten und zweitens, dass wir weiter aufstehen und Haltung zeigen. Als deutsches Unternehmen in Deutschland und im Ausland. So wie im vergangenen Monat beim Ungarn gegen Deutschland-EM-Spiel. Damit dürfen wir in Zukunft nicht aufhören.